Donnerstag, 9. April 2020

THE CALL (2003)

Originaltitel: Chakushin ari; US-Titel: One Missed Call
Regie: Takashi Miike, Drehbuch: Miwako Daira, Musik: Kōji Endō
Darsteller: Kō Shibasaki, Shin'ichi Tsutsumi, Anna Nagata, Renji Ishibashi, Kazuo Fukiishi, Mariko Tsutsui, Goro Kishitani, Yutaka Matsushige
 The Call
(2003) on IMDb Rotten Tomatoes: 44% (5,2); weltweites Einspielergebnis: $16,4 Mio.
FSK: 16, Dauer: 113 Minuten.

Seltsame Dinge geschehen in Tokio: Mehrere Studenten erhalten auf ihrem Handy einen Anruf, der scheinbar von ihnen selbst stammt, allerdings zwei Tage in der Zukunft – und dieser Anruf scheint ihren eigenen Tod zu dokumentieren. Was anfangs für einen makabren Scherz gehalten wird, erweist sich schnell als prophetisch, als die ersten beiden Studentinnen tatsächlich zum Zeitpunkt des Zukunfts-Anrufs sterben. Keine guten Aussichten für die seit ihrer Kindheit von Phobien geplagte Yumi (Kō Shibasaki, "47 Ronin"), die mit dem zweiten Opfer befreundet war und nach weiteren toten Kommilitonen beschließt, mit Hiroshi Yamashita (Shin'ichi Tsutsumi, "Space Battleship Yamato"), dem deutlich älteren Bruder des ersten Opfers, der Sache auf den Grund zu gehen – denn die Polizei hält die Todesfälle trotz ihrer Häufung allesamt für Suizide. Tatsächlich findet das Duo eine vielversprechende Spur in einer psychologischen Kinderklinik, doch wie sollte es anders sein: Auch Yumi erhält den unheilverheißenden Anruf ihres Zukunfts-Ichs und somit drängt die Zeit noch mehr als ohnehin schon …

Kritik:
Kurz nach der Jahrtausendwende fand die vor allem durch die "Ju-on: The Grudge"- und "Ring"-Reihe (sowie ihre die Bekanntheit der Originale steigernden US-Remakes) bekannte J-Horror-Welle ihren Höhepunkt. Allenthalben gab es Geisterfilme mit blutrünstigen Mädchen mit langen schwarzen Haaren als Antagonistinnen – einen soliden Vertreter dieser Gattung, der zwar nicht die weltweite Bekanntheit von "Ring" und "The Grudge" erreichte, aber (im Gegensatz übrigens zu den "Ring"- und "The Grudge"-Originalen) auch außerhalb Asiens recht erfolgreich lief, stellt "The Call" von dem notorischen Vielfilmer Takashi Miike (hat inzwischen über 100 Werke in den unterschiedlichsten Genres gedreht, darunter "Ace Attorney" und "Blade of the Immortal") dar. "The Call" wirkt über weite Strecken für Miike-Verhältnisse erschreckend generisch – wozu ein Prolog beiträgt, der deutlich von "Ring", aber auch von Wes Cravens "Scream" inspiriert ist –, spielt dann aber doch noch zumindest einige Stärken des nicht zu Unrecht häufig als visionär gelobten Regisseurs aus und ist daher für Anhänger des Horrorgenres definitiv einen Blick wert. Zwei Fortsetzungen (ohne Miikes Beteiligung) sowie ein Hollywood-Remake namens "Tödlicher Anruf" aus dem Jahr 2008 gibt es übrigens auch, die haben aber alle ziemlich miese Kritiken erhalten – besonders "Tödlicher Anruf" (mit bemerkenswerten 80 zu 0 negativen Rezensionen bei Rotten Tomatoes!).

In der ersten Hälfte wirkt "The Call" überwiegend wie ein typischer, wenig einfallsreicher Teenie-Slasher, der selten erschreckt und noch seltener fesselt. Dafür fehlt es der Handlung zu sehr an Stringenz, stattdessen mäandert der Film während der nur wenig aufregend geschilderten Ermittlungen von Yumi und Hiroshi ziemlich einfallslos vor sich hin, wenngleich sich das Duo schon wegen des Altersunterschiedes von etwa eineinhalb Jahrzehnten etwas von der Genre-Konkurrenz abhebt. Angesichts der für einen Horrorfilm nicht unbeträchtlichen Länge von fast zwei Stunden wären Kürzungen in dieser enttäuschenden ersten Hälfte mehr als angebracht gewesen. Das Publikum bekommt weder inhaltlich noch stilistisch etwas präsentiert, das man als Genrefan nicht bereits unzählige Male und wesentlich überzeugender gesehen hätte. Auch die weitgehende Absenz von Humor erweist sich ob der vorherrschenden Ödheit nicht wirklich als hilfreich, das gilt ebenso für die meist wenig überzeugenden schauspielerischen Leistungen – besonders die wiederkehrenden Gefühlsausbrüche der weiblichen Figuren wirken überzogen (was für asiatische Filme nicht ungewöhnlich ist, hier aber besonders auffällt). Allzu viel Mühe bei seinen Anweisungen an die Darsteller scheint sich Miike nicht gegeben zu haben, denn die beiden Protagonisten haben bereits bewiesen, daß sie deutlich mehr können - Shibasaki beispielsweise im Kultfilm "Battle Royale" und Shin'ichi Tsutsumi als Hauptdarsteller von Sabus grandiosem Comedy-Thriller "Monday" aus dem Jahr 2000. Davon ist in "The Call" leider nicht viel zu sehen. Nur die gelegentlich eingestreuten satirischen Seitenhiebe auf unsere Konsum- und Fernsehgesellschaft sorgen für ein wenig Erheiterung.

Das klingt soweit nach einem ziemlichen Totalausfall, doch glücklicherweise wird der Film (bis auf die weiterhin durchwachsenen Darstellerleistungen) in der zweiten Hälfte so viel besser, daß man sich vor Staunen die Augen reiben möchte. Miike zieht nun das Tempo deutlich an und obwohl "Ring" und "The Grudge" weiterhin als Inspirationsquellen erkennbar sind, funktioniert "The Call" immer besser. Nachdem die Handlung lange so bieder wirkte, wird die Atmosphäre immer düsterer und unheimlicher, die visuellen Effekte sind schön schaurig und einfallsreich und das Spiel mit der zurückhaltenden Musik und v. a. den gekonnt eingesetzten Toneffekten beherrscht Miike meisterhaft. Spätestens bei dem vorgezogenen Showdown in einem stark an "Silent Hill" erinnernden stillgelegten Trakt des Kinder-Krankenhauses kann man sich dem Sog des Films kaum mehr entziehen und empfindet wohligen Grusel – auch wenn einem als Genre-Fan vieles davon bekannt vorkommt und hemmungslos genreübliche Klischees bedient werden. Dummerweise will Miike mit einer überraschenden und verwirrenden Wendung ganz am Schluß noch einen draufsetzen, die meines Erachtens nicht sonderlich gut funktioniert. Schade, denn so hinterläßt "The Call" nach seiner rasanten qualitativen Steigerung innerhalb der knapp zwei Stunden am Ende doch wieder einen eher negativen Nachgeschmack …

Fazit: "The Call" ist ein insgesamt solider, sich im Verlauf erheblich steigender Vertreter der J-Horror-Welle, der zwar schauspielerisch und inhaltlich viel vermissen läßt, aber Genrefans mit einer gruseligen Atmosphäre, einfallsreichen visuellen Effekten und phasenweise grandiosem Sounddesign erfreut.

Wertung: 6 Punkte (4 für die erste Hälfte, 7,5 für die zweite).

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