Dienstag, 3. September 2019

DISTORTED (2018)

Regie: Rob W. King, Drehbuch: Arne Olsen
Darsteller: Christina Ricci, Brendan Fletcher, John Cusack, Vicellous Shannon, Sophia Daly, Nicole Anthony, Sophia Daly, Scott Olynek, Gigi Jackman, Benjamin DeWalt, Maja Milkovich
 Distorted (2018) on IMDb Rotten Tomatoes: 18% (4,2); weltweites Einspielergebnis: $0,03 Mio.
FSK: 16, Dauer: 87
Die Mittdreißigerin Lauren Curran (Christina Ricci, "Speed Racer") leidet an einem Trauma aus ihrer Vergangenheit und befindet sich in psychiatrischer Behandlung. Da Lauren in ihrem Heim unter Angstzuständen leidet, entscheiden sie und ihr wohlhabender Ehemann Russell (Brendan Fletcher, "The Revenant"), in einen hochmodernen Wohnkomplex in einer "Gated Community" umzuziehen und dort einen Neuanfang zu machen. Doch schon bald hat Lauren auch hier das Gefühl, daß merkwürdige Dinge vor sich gehen, beispielsweise erkennt sie – aber eben nur sie – wiederholt vermeintliche geheime Botschaften, die über technische Geräte verbreitet werden. Russell tut das als reine Paranoia als Folge von Laurens angeschlagenem mentalen Zustand ab, und auch sie selbst ist sich absolut nicht sicher, was real ist und was sie sich einbildet. Doch dann lernt sie über das Internet den geheimnisvollen angeblichen Hacker und Journalisten Vernon (John Cusack, "Der Butler") kennen, der ihr eindringlich versichert, daß das, was sie beschreibt, absolut real sei und sie im Mittelpunkt einer monströsen Verschwörung stehe …

Kritik:
Es ist gar nicht so lange her, da wäre ein Thriller mit Christina Ricci und John Cusack garantiert in den Kinos gelaufen und hätte selbst bei mäßigen Kritiken mit hoher Wahrscheinlichkeit ein zumindest ordentliches Einspielergebnis gezielt. Im Jahr 2019 ist das nicht mehr der Fall. Als Fan von John Cusack konnte respektive mußte man sich ja bereits seit einigen Jahren damit arrangieren, daß er – abgesehen von gelegentlichen Nebenrollen in Werken wie "Der Butler" oder "Love & Mercy" – fast nur noch in direkt auf den Heimkinomarkt abzielenden und meistens nicht sonderlichen guten Produktionen zu sehen ist, auch wenn mir völlig unverständlich bleibt, wie das dem gefeierten Star von "High Fidelity", "Con Air", "Das Urteil" oder "2012" passieren konnte. Daß nun die fast 15 Jahre jüngere Christina Ricci den selben Weg zu gehen droht, ist aber schon erschreckend. Klar, vom Mainstream-Kino hat sie sich (ob freiwillig oder unfreiwillig, weiß ich nicht) seit "Sleepy Hollow" und "Speed Racer" ferngehalten und auch ihre Ausflüge ins unabhängig produzierte Arthouse-Kino in "Monster", Woody Allens "Anything Else", "Black Snake Moan" oder "Bel Ami" sind schon eine Weile her, da sie sich anschließend mehr auf Hauptrollen in TV-Serien ("Pan Am", "The Lizzie Borden Chronicles") konzentrierte. Vielleicht ist das ja tatsächlich der Grund, vielleicht hat "das Kino" Ricci einfach vergessen und nach der unerwarteten Absetzung ihrer durchaus positiv besprochenen Amazon-Serie "Z: The Beginning of Everything" (die eigentlich bereits verlängert worden war) muß sie sich erst wieder mühsam zurückarbeiten. Sollte das der Fall sein, so ist "Distorted" gleichzeitig ein guter und ein nicht so guter erster Schritt, denn einerseits trägt sie allein diesen Thriller und zeigt in der Hauptrolle eine gewohnt gute Leistung – andererseits ist der Film selbst leider sehr durchwachsen und dürfte dementsprechend nicht allzu viel Aufmerksamkeit erhalten.
Dabei sind es gerade die Schwächen des von dem wenig bekannten TV-Regisseur Rob W. King ("The Humanity Bureau") inszenierten und vom genreerfahrenen Arne Olsen ("Red Scorpion", "Power Rangers: Der Film") verfaßten Thrillers, die Riccis Darstellung umso bemerkenswerter machen, denn das Material, das ihr zur Verfügung steht, ist alles andere als hochklassig. Das kann auch Ricci nicht immer überspielen, speziell im (ziemlich klischeehaften) Prolog legt sie ein für sie ungewöhnliches Overacting an den Tag, das mir zunächst doch Sorgen bereitete. Zum Glück kommt das später kaum noch vor und sie trägt selbst die flachsten Dialogzeilen mit beneidenswerter Überzeugungskraft vor. Die hat "Distorted" auch nötig, denn die Handlung des Paranoia-Thrillers bietet Zuschauern, die sich auch nur ein bißchen mit dem Genre auskennen, sehr wenig Neues (wenn überhaupt). Allzu genau will ich auf Details nicht eingehen, weil die Frage, was real und was Einbildung ist, nunmal essentiell für die Spannung in diesem Film ist, aber streng genommen passiert sowieso wenig. Sehr viel mehr als die stilistisch von "Uhrwerk Orange" (zugegeben: es gibt schlechtere Vorbilder!) abgekupferten, vor allem durch die schrillen und nervig lautstarken Soundeffekte auffallenden "unterschwelligen Botschaften", denen sich Lauren ausgesetzt glaubt, gibt es da nicht. Trotzdem hat sich Regisseur King ein Lob dafür verdient, daß er es, obwohl so wenig geschieht, schafft, eine recht beklemmende Atmosphäre aufzubauen und das Publikum in der Tat darüber im Unklaren zu lassen, was real ist und was nicht und welche Nebenfiguren gut oder böse oder auch völlig unbeteiligt sind.
Das wiederum ist natürlich auch das Verdienst – ich weiß, ich wiederhole mich – von Christina Ricci, die davon profitiert, daß die von ihr verkörperte Lauren als einzige Figur in "Distorted" einigermaßen gut konturiert ist. Über ihre Vergangenheit und das Trauma, das vielleicht oder vielleicht auch nicht die Ursache ihrer Paranoia ist, erfahren wir nur bruchstückhaft mehr, wenn nach über einer Stunde die Auflösung kommt, dürfte aber kaum noch jemand davon überrascht sein – dafür ist die Sache einfach zu vorhersehbar. Das ändert aber nichts daran, daß man Lauren dank Riccis einfühlsamer Darbietung die Unsicherheit, die Verwirrtheit, die zunehmende Furcht jederzeit abnimmt und mit ihr mitfiebert. Hingegen bleiben die übrigen Figuren, speziell die neuen Nachbarn, auch aus Zeitmangel blaß und schablonenhaft (nur der charismatische Vicellous Shannon, dessen Karriere nach frühen Erfolgen in "Hurricane" oder "Das Tribunal" leider ziemlich versandete, holt aus den wenigen Szenen als hilfsbereiter Phillip Starks einiges raus), selbst Laurens Ehemann Russell ergeht es nicht viel besser. Achja, und dann ist da ja noch John Cusack! Doch dessen Deus ex machina-artige Rolle als Laurens gut informierter Verbündeter ist sehr klein und wenig glaubwürdig gestaltet und wird dem Talent des einstigen Hollywood-A-Listers John Cusack in keiner Weise gerecht. Trotz aller Schwächen und des gemächlichen Erzähltempos ist "Distorted" in der ersten Stunde dank Christina Ricci ein recht solider kleiner Paranoia-Thriller, der Genrefans durchaus etwas zu bieten hat. Der Showdown hingegen wirkt halbherzig, überhastet und unlogisch; ehrlich gesagt hat er mich sogar genervt und ich war froh, als alles überstanden war. Ein schwaches Ende für einen mittelmäßigen Film, der in erster Linie Fans von Christina Ricci und eingefleischten Anhängern von Thrillerkost zu empfehlen ist.

Fazit: "Distorted" ist ein mediokrer Paranoia-Thriller, der reichlich unoriginell und ereignisarm daherkommt, zumindest in den ersten beiden Dritteln aber dank einer starken Hauptdarstellerin Christina Ricci solide unterhält.

Wertung: 5 Punkte.


"Distorted" ist am 1. August 2019 von Tiberius Film auf DVD und Blu-ray veröffentlicht worden. Die Extras beschränken sich auf einige Trailer. Mir wurde netterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.


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