Regie: Ryan
Coogler, Drehbuch: Aaron Covington und Ryan Coogler, Musik: Ludwig Göransson
Darsteller:
Michael B. Jordan, Sylvester Stallone, Tessa Thompson, Phylicia Rashad, Tony
Bellew, Graham McTavish, Ritchie Coster, Gabe Rosado, Andre Ward, Jacob
"Stitch" Duran
FSK: 12, Dauer: 134 Minuten.
Adonis "Donnie" Johnson (Michael B. Jordan, "Fantastic
Four") ist der uneheliche Sohn des ehemaligen Box-Weltmeisters Apollo
Creed, der aber vor Donnies Geburt im Boxring starb. Donnie wuchs zunächst in
einem Pflegeheim auf, ehe Apollos Ehefrau Mary Anne (Phylicia Rashad, "Die
Bill Cosby Show") ihn bei sich aufnahm und ihm eine erstklassige Ausbildung
angedeihen ließ. Richtig glücklich wird Donnie mit dem gutbezahlten Job
bei einer Brokerfirma jedoch nicht – lieber will er wie sein Vater Profi-Boxer
werden. Obwohl Mary Anne, die ihren Mann an diesen Sport verlor, strikt
dagegen ist, beschließt Donnie, der sich bislang nur selbst anhand alter Videos
seines Vaters trainiert hat, es zu versuchen – und als Trainer wünscht er sich
Apollos größten Konkurrenten und am Ende Freund Rocky Balboa (Sylvester
Stallone, "The Expendables"). Nach anfänglichem Zögern sagt der zu und die ersten Erfolge stellen
sich schnell ein. Doch ist Donnie bereits gut genug für einen
Weltmeisterschaftskampf?
Kritik:
Ich war nie ein großer Fan von Sportfilmen. Zwar gibt es fraglos vor allem aus Hollywood viele gute Genrevertreter, dramaturgisch
halten sich die Variationsmöglichkeiten jedoch in ziemlich engen Grenzen. Natürlich
gibt es Ausnahmen wie Clint Eastwoods "Million Dollar Baby" (der in
letzter Konsequenz zeigt, welche Folgen der Sport haben kann), Bennett Millers
"Moneyball" (der Baseball als eine komplizierte Mathematik-Aufgabe zeigt)
oder Oliver Stones "An jedem verdammten Sonntag" (der American
Football in der Art eines Kriegsfilms präsentiert), aber meist läuft es doch in
zwei Varianten ab: a) Talentierter, unerfahrener Sportler (und/oder Team) schafft
kometenhaften Aufstieg, erleidet dann schweren Rückschlag, um am Ende doch zu
triumphieren; b) ausgebrannter Ex-Star startet einen Comeback-Versuch und setzt
sich gegen alle Widerstände durch. Sylvester Stallone hat als treibende Kraft
der "Rocky"-Reihe meist versucht, dieses Schema zumindest ein bißchen
zu durchbrechen, was aber nur im dreifach OSCAR-prämierten ersten Teil aus dem Jahr 1976
auch qualitativ gelang (wobei die Innovation sich größtenteils auf den letzten
Akt beschränkt), wohingegen die fünf offiziellen Fortsetzungen doch einiges zu
wünschen übrig ließen. "Creed" ist nun das erste Spin-Off, das der bisherige Independent-Regisseur Ryan Coogler ("Nächster Halt:
Fruitvale Station") in die Spur brachte und bei dem Stallone zur Mitwirkung als
Nebendarsteller erst überredet werden mußte. Gut, daß er schließlich nachgab
(und dann sogar als Produzent einstieg), denn "Creed" wird von den
Kritikern gefeiert und bescherte Stallone seine zweite OSCAR-Nominierung als
Darsteller (nach "Rocky"). Tatsächlich ist "Creed" ein solider
Sportfilm, der sich allerdings fast komplett an obiges Erzählschema a) hält und
inhaltlich wenig Bemerkenswertes zu bieten hat.
Das gilt umso mehr, als ausgerechnet der mittlere Teil des
Films schwächelt, der – für Sportler wie auch (in Sachen Gesundheit) Trainer –
den obligatorischen Rückschlag bringt und dabei versucht, zumindest ein
bißchen originell zu sein. Wobei ich gern zugebe, daß mein Urteil wohl nicht allgemeingültig ist, denn erstens hätte ich wirklich keine klischeehafte
Liebesgeschichte gebraucht (die andere Zuschauer vermutlich nicht stört) und zweitens trifft die "Urban
Music"-Szene, die hier eine große Rolle spielt (Donnies Freundin ist
Sängerin), nicht wirklich meinen Musikgeschmack. Da war mir die gute alte
Rockmusik in früheren "Rocky"-Filmen (ich erinnere an Survivors
"Eye of the Tiger") doch wesentlich lieber. Dennoch ist mir klar, daß
gerade diese musikalischen Unterschiede den Generationswechsel auch bei den
Zuschauern hervorragend repräsentieren. Mit noch einem klassischen
"Rocky"-Film hätte man das junge Publikum kaum in die Kinos gelockt,
durch den neuen Ansatz mit einem talentierten schwarzen
Hauptdarsteller und moderner Musik hat das Franchise trotz weitestgehender inhaltlicher
Innovationslosigkeit und Vorhersehbarkeit seine Zuschauerbasis in erheblichem Maße ausgeweitet (wie vor allem das nordamerikanische Einspielergebnis von über $100
Mio. beweist). Für Abwechslung soll allein Rockys Erkrankung sorgen, doch deren erzählerisches Potential wird nur ansatzweise genutzt (aber
immerhin in einer starken Sequenz zu einer sehr schönen Hommage auf den
Originalfilm). Zugegeben, der Rest des Films ist auch nicht viel
einfallsreicher als der Mittelteil, doch konzentriert sich der stärker auf das Boxen und kommt damit deutlich unterhaltsamer daher. Schon der Beginn
mit Donnies Versuchen, ohne Bekanntwerden seiner Herkunft Fuß zu fassen in der
rauhen Boxwelt, ist ziemlich gut gelungen, ebenso das Training unter Rocky nach
altbekannten, aber immer noch nett anzuschauenden Trainingsmethoden.
Aber das Highlight von "Creed" ist ohne Frage das
Finish mit Donnies erstem großen Kampf. Regisseur und Co-Autor Coogler folgt
hierbei großteils der Dramaturgie von "Rocky". Das bringt zwar weiterhin
wenig Innovationen mit sich, aber hier gilt: Besser gut geklaut als schlecht
erfunden. "Rocky" hat das seinerzeit wunderbar hinbekommen mit dem
eher ungewöhnlichen Verzicht auf Schwarzweißmalerei und der Konzentration auf
den rein sportlichen Wettkampf zwischen zwei großen Kämpfern; "Creed"
zeigt, daß das sogar noch besser geht – was die Inszenierung der Box-Szenen
betrifft. Während die in "Rocky" aus heutiger Sicht eher behäbig
wirken, geht Coogler in "Creed" in die Vollen und präsentiert den
Kampf zwischen Donnie und dem britischen Champion Conlan (der echte Boxer Tony Bellew) extrem
temporeich, manchmal wirkt es fast wie eine wüste Kneipenprügelei. Das ist zwar
nicht unbedingt realistisch (in echt würde kein Schwergewichts-Boxer dieses
Tempo 12 Runden lang durchhalten), wirkt aber auch durch die ungeschönt blutige
Darstellung des brutalen Kampfes authentisch. Außerdem ist es sehr spannend und
unterhaltsam, zumal die Kamera so dicht an die Kämpfer heranrückt, daß manchmal
nur Zentimeter bis zur Ego-Perspektive fehlen, wodurch der Zuschauer
buchstäblich mitten ins Geschehen hineinrückt. Großes Lob muß an dieser Stelle
unbedingt der Make-up-Abteilung gezollt werden, denn Donnies Gesicht sieht
gegen Ende des Kampfes wahrhaft zum Fürchten aus (da kann sich so mancher
Horrorfilm noch eine Scheibe abschneiden …). Auch die treibende Musik von Ludwig
Göransson ("Wir sind die Millers"), der die legendären Melodien des
Originals – allen voran die "Rocky-Fanfare" – geschickt in seine Kompositionen einflicht, trägt ihren Teil dazu bei, daß das Finale von
"Creed" begeisternd ausfällt.
Auch der neue Hauptdarsteller Michael B. Jordan – der mit der
Hauptrolle in Ryan Cooglers gefeiertem Drama "Nächster Halt: Fruitvale Station"
seinen Durchbruch schaffte – macht einen richtig guten Job und empfiehlt sich
für "Creed"-Fortsetzungen (die erste soll bereits Ende 2017 in die
Kinos kommen), leider ist jedoch die Leinwand-Chemie mit Tessa Thompson ("Selma"), die Donnies hübsche Freundin Bianca spielt, eher mittelmäßig ausgeprägt. Schauspielerisch
fällt Thompson sowieso etwas ab, als Sängerin macht sie dagegen einen guten Job und die selbstbewußte Bianca ist für sich genommen durchaus eine interessante Frauenfigur. Sylvester Stallone spielt seine ikonische Rolle einmal mehr sehr
souverän, phasenweise sogar richtig bewegend, dennoch kann ich die Lobeshymnen
inklusive OSCAR-Nominierung nicht wirklich nachvollziehen – in "Cop
Land" war Stallone vor knapp 20 Jahren noch viel besser, doch damals gab es
keine Preise …
Fazit: "Creed – Rocky's Legacy" ist ein
rundum solider, aber wenig einfallsreicher Sportfilm, der seine mit Abstand
größten Stärken in den famos inszenierten Box-Szenen offenbart.
Wertung: 7 Punkte (erstes Drittel: 7, zweites
Drittel: 5, drittes Drittel: 9).
Bei Gefallen an meinem Blog würde ich mich über die Unterstützung von "Der Kinogänger" mittels etwaiger amazon.de-Bestellungen über einen der Links in den Rezensionen oder das amazon.de-Suchfeld in der rechten Spalte freuen.
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