Originaltitel:
The Martian
Regie: Sir
Ridley Scott, Drehbuch: Drew Goddard, Musik: Harry Gregson-Williams
Darsteller:
Matt Damon, Jessica Chastain,
Chiwetel Ejiofor, Jeff Daniels, Sean Bean, Kristen Wiig, Michael Peña, Kate
Mara, Sebastian Stan, Aksel Hennie, Benedict Wong, Mackenzie
Davis, Donald Glover, Shu Chen, Eddy Ko
FSK: 12, Dauer: 144 Minuten.
In den 2030er Jahren gelingt der Menschheit die
erste bemannte Landung auf dem Mars. Der Botaniker Mark Watney (Matt Damon,
"Der Informant!") ist Teil der von Commander Melissa Lewis (Jessica
Chastain, "Zero Dark Thirty") geleiteten dritten Mars-Mission namens
"Ares 3", die allerdings in einen gewaltigen Sandsturm gerät und den Aufenthalt auf dem Roten Planeten deshalb vorzeitig abbrechen muß. Bei der Evakuierung wird Watney von
einem Trümmerteil getroffen, der Funkkontakt bricht ab und die Biodaten seines Schutzanzuges vermelden seinen Tod. Schweren Herzens verläßt die restliche Crew
den Planeten und tritt gedrückter Stimmung die lange Rückreise zur Erde an. Was sie nicht ahnen: Mark Watney lebt noch! Besagtes Trümmerteil beförderte ihn lediglich in die
Bewußtlosigkeit und zerstörte den in seinen Anzug eingebauten Computer. Dummerweise hat
Watney keine Möglichkeit, Kontakt zur Crew oder zur Erde aufzunehmen, wo NASA-Chef Teddy Sanders ("Steve Jobs") und die Missionsleiter Vincent Kapoor (Chiwetel Ejiofor, "12 Years a Slave") und Mitch Henderson (Sean Bean, "Silent Hill") mit dem Krisenmanagement beschäftigt sind. Allerdings hat zu Watneys großem Glück die Missionsbasis mit Vorräten und Werkzeugen den Sandsturm
überstanden; und da Watney Botaniker ist, hat er schnell eine Idee, wie er den
Nahrungsvorrat so sehr erweitern kann, daß er eventuell bis zur Landung
der nächsten Marsmission in vier Jahren überlebt – oder bis er der NASA doch
irgendwie signalisieren kann, daß er noch am Leben ist …
Kritik:
Das Weltall läßt Sir Ridley Scott scheinbar nicht los. Mit
"Alien" startete der Brite 1979 seine Weltkarriere, 2012 kehrte er mit dem
Prequel "Prometheus" zur SF-Horror-Kultreihe zurück. Derzeit arbeitet
er bereits an einer Fortsetzung und spricht sogar von weiteren
"Alien"-Prequels. Und zwischendurch hat er auch noch "Der
Marsianer – Rettet Mark Watney" verwirklicht, die Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von
Andy Weir. Allerdings hat "Der Marsianer" nur sehr wenig zu tun mit
den "Alien"-Filmen (abgesehen davon, daß die ersten Szenen auf dem
Mars doch ein wenig an die Landung der Nostromo auf dem Mond LV-426 erinnern
und ich sogar in Harry Gregson-Williams' Musik eine ganz kurze
"Alien"-Anspielung gehört zu haben glaube), denn hier herrscht mehr
Science als Fiction und – ähem, Spoiler? – Außerirdische gibt es auch nicht.
Langweilig wird es deshalb aber nicht, dafür sorgt der vom Unglück verfolgte
Watney als eine Art Weltraum-MacGyver, der im Zweifelsfall auch mal aus
einer Anstecknadel und einem Papiertaschentuch eine Raumkapsel bastelt. Naja,
nicht wirklich, aber Watneys Einfallsreichtum beim Einsatz der sehr knappen ihm
zur Verfügung stehenden Mittel ist definitiv bemerkens- und bestaunenswert. Und
er trägt dazu bei, daß "Der Marsianer" nicht irgendein
Blockbuster ist, sondern ein ziemlich intelligenter Blockbuster mit Herz und
Humor.
Matt Damon – der übrigens erstaunlicherweise gegen Ende
abgemagert und mit wirrem Bart ein bißchen aussieht wie Leonardo DiCaprio! – ist
die Idealbesetzung für Mark Watney, denn es gelingt ihm problemlos, den
Astronauten-Botaniker innerhalb kürzester Zeit zu einem echten Sympathieträger
und gleichzeitig zu einer Identifikationsfigur zu machen, mit der man gerne mitfiebert
und mitleidet. Das ist auch oder vielleicht sogar primär seinem sehr trockenen
und scheinbar unerschütterlichen Humor geschuldet, der dafür sorgt, daß
"Der Marsianer" weitaus humorvoller geraten ist als viele
andere Überlebenskampf-Abenteuer auf der großen Leinwand. Watney kommentiert
so ziemlich alles, was ihm widerfährt und was er selbst unternimmt, mit
treffsicherer (Selbst-)Ironie, in den Videotagebüchern, die er fortwährend aufnimmt, erweist er sich manchmal fast schon als Komiker. Beispielsweise lästert er immer
wieder ausgiebig über die aus seiner Sicht schreckliche 1970er Jahre-Disco-Playlist
von Commander Lewis, die die einzige Musik ist, die von der abgebrochenen
Mission zurückgelassen wurde – und die Ridley Scott zielgenau einsetzt, um amüsante
Kontrapunkte zu Watneys Überlebenskampf zu setzen und die eigentlich so bedrohliche Situation aufzulockern (was ein wenig an die
Funktion von Star-Lords 1980er Jahre-Mixtape in Marvels "Guardians of the Galaxy" erinnert). Es ist einfach zu schön, wenn Watney bei den
bestenfalls monotonen, schlimmstenfalls lebensgefährlichen MacGyver-Aktionen
von Donna Summers "Hot Stuff" oder ABBAs "Waterloo"
begleitet wird – fehlt eigentlich nur "Stayin' Alive" von den Bee
Gees, aber das war Scott textlich wohl doch zu offensichtlich; immerhin läuft
während des Abspanns der ebenso passende Disco-Klassiker "I Will
Survive" von Gloria Gaynor …
Obwohl Matt Damon als Mark Watney also die unbestrittene
Hauptfigur von "Der Marsianer" ist, hat Ridley Scott zugleich einen richtig
guten Ensemble-Film geschaffen. Vor allem die Zeit während Watneys Bewußtlosigkeit,
nachdem er von dem Trümmerteil getroffen wurde, nutzt der erfahrene Regisseur, um die zahlreichen
weiteren wichtigen Figuren der Handlung und ihr Zusammenspiel zu etablieren. Und das gelingt ihm ausgezeichnet. Selbstverständlich kann bei einem Ensemble, das annähernd ein Dutzend
Männer und Frauen mit erheblicher Bedeutung für die Geschichte umfaßt (aber
erfrischenderweise keinen Bösewicht), keine ausführliche und vielschichtige
Charakterisierung erwartet werden – die bleibt denn auch weitestgehend Mark Watney
vorbehalten. Doch Scott schafft es, die anderen Personen selbst mit
vergleichsweise wenigen Szenen so einprägsam zu gestalten, daß sie echtes
Format gewinnen und man sie auch nicht mit anderen Nebenfiguren verwechselt.
Die bis in kleinste Nebenrollen hervorragende Besetzung ist da natürlich
hilfreich. So wird die bisher noch nicht namentlich erwähnte Ares 3-Crew von Michael
Peña ("Ant-Man"), Kate Mara ("Fantastic Four"), Sebastian
Stan ("Captain America 2") und Aksel Hennie ("Hercules")
gut verkörpert, während in der NASA-Zentrale Jeff Daniels,
Chiwetel Ejiofor, Sean Bean und Kristen Wiig ("Brautalarm") zur Geltung kommen.
Das ist kein Vergleich etwa zu Ron
Howards "Im Herzen der See", einem anderen Survival-Abenteuerfilm,
den ich kurz nach "Der Marsianer" gesehen habe und in dem dem
Publikum selbst die beiden zentralen Figuren fremder bleiben als hier
Charaktere mit nur zwei oder drei Szenen im gesamten Film! Und da das Drehbuch von "The Cabin in the Woods"-Macher Drew Goddard
diese exzellenten Schauspieler mit pointiert geschriebenen, stets
unterhaltsamen Dialogen versorgt, kann da eigentlich nichts mehr schief gehen. Das tut es dann eben auch nicht, wenngleich manche Gags vielleicht etwas zu sehr ausgewälzt werden. Denn wenn Bruce Ng (Benedict Wong, "Sunshine") als Leiter der "NASA-Werkstatt" immer neue komplizierte Aufträge erhält, die er schnellstmöglich erledigen soll, dann erinnern die Wortwechsel teilweise arg an alte "Raumschiff Enterprise"-Dialoge zwischen Captain Kirk und Scotty der Sorte "Wie lange braucht die Reparatur des Warp-Antriebs?" – "Eine Woche, Captain." – "Sie bekommen 24 Stunden." – "Ich schaffe es in 12, Sir!" ...
Was "Der Marsianer" und "Im Herzen der
See" allerdings gemeinsam haben, das ist die hohe Qualität der
künstlerischen Gestaltung. Die Spezialeffekte von "Der Marsianer" werden zwar relativ sparsam eingesetzt – denn hier geht eben tatsächlich mal wieder in
einer Hollywood-Großproduktion Story vor Action-Bombast –, wirken jedoch wie in
Alfonso Cuaróns "Gravity" überwiegend realistisch und
gleichzeitig beeindruckend (auch wenn ich als Laie mir bei einigen Sachen etwas ausführlichere Erläuterungen über die Funktionsweise gewünscht hätte); auch der 3D-Einsatz ist sehr solide, wenngleich der
Film in 2D kaum an visueller Qualität einbüßen dürfte. Insgesamt sind für Scott
die Spezialeffekte wohltuenderweise tatsächlich nur Mittel zum Zweck, um
die (sofern man nicht vorher die Buchvorlage gelesen hat) erfreulicherweise ziemlich
unvorsehbare und mit einigen Überraschungen und originellen Ideen aufwartende
Handlung zu unterstützen und voranzutreiben. So ist "Der
Marsianer" ein Musterbeispiel für einen Hollywood-Blockbuster, der sein
Publikum intellektuell nicht unterfordert und "trotzdem" glänzend
unterhält – wenn auch ohne ein echter Meilenstein der Kinohistorie zu sein. Diesen Anspruch meldet "Der Marsianer" aber gar nicht erst an, denn er will einfach nur erstklassiges Unterhaltungskino bieten; und das gelingt ihm.
Fazit: "Der Marsianer – Rettet Mark Watney" ist ein von
Altmeister Ridley Scott finessenreich inszeniertes, von Anfang bis Ende
unterhaltsames Survival-Abenteuer, das mit einem von Matt Damon in
OSCAR-verdächtiger Form angeführten, glänzend aufspielenden großen Ensemble
ebenso begeistert wie mit seinem abwechslungsreichen und humorvollen
Storyverlauf.
Wertung: 8,5 Punkte.
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