Mittwoch, 7. Oktober 2015

REGRESSION (2015)

Regie und Drehbuch: Alejandro Amenábar, Musik: Roque Baños
Darsteller: Ethan Hawke, Emma Watson, David Thewlis, Peter MacNeill, David Dencik, Aaron Ashmore, Dale Dickey, Lothaire Bluteau, Devon Bostick, Kristian Bruun, Adam Butcher
Regression
(2015) on IMDb Rotten Tomatoes: 14% (4,0); weltweites Einspielergebnis: $17,7 Mio.
FSK: 16, Dauer: 107 Minuten.

Hoyer, Minnesota, 1990: Als die erst 17-jährige Angela Gray (Emma Watson, "My Week with Marilyn") dem Reverend Murray (Lothaire Bluteau, TV-Serie "Vikings") offenbart, daß sie von ihrem eigenen Vater John (David Dencik, "Dame, König, As, Spion") sexuell mißbraucht wurde, ist es mit der Ruhe in der verschlafenen Kleinstadt abrupt vorbei. John, ein religiöser Eiferer, behauptet zwar, sich an nichts erinnern zu können – dennoch gesteht er die Tat, weil seine Tochter stets die Wahrheit sage. Dem ermittelnden Detective Bruce Kenner (Ethan Hawke, "Boyhood") reicht das nicht, weshalb er den Psychologie-Professor Kenneth Raines (David Thewlis, "Die Entdeckung der Unendlichkeit") hinzuzieht. Der Spezialist in der relativ neuen Methode der hypnotischen Regression schafft es tatsächlich, einige Erinnerungen in John zu wecken – erschreckende Erinnerungen, die enthüllen, daß nicht er allein Angela mißbrauchte, sondern auch ein Polizist (Aaron Ashmore, TV-Serie "Warehouse 13") und viele Unbekannte beteiligt waren und Angela das unfreiwillige Zentrum satanistischer Rituale war …

Kritik:
Die menschliche Psyche spielte in den Werken des spanischen Regisseurs und Drehbuch-Autors Alejandro Amenábar stets eine wichtige Rolle. In seinem Langfilmdebüt, dem Horrorfilm "Faszination des Grauens", ging es um einen psychopathischen Snuff-Serienkiller, in dem Verwirrspiel "Öffne die Augen" (später von Cameron Crowe als "Vanilla Sky" in Hollywood neu aufgelegt) um Wahrheit und Illusion, im Gruselfilm "The Others" um Spukopfer, in "Das Meer in mir" um einen komplett gelähmten und somit in seine eigene Psyche verbannten Journalisten und in "Agora" um Philosophen und religiöse Fanatiker. Somit ist es kein Wunder, daß sich "Regression" eigentlich mehr um die titelgebende, nicht unumstrittene Therapieform dreht als um die auf den ersten Blick im Vordergrund stehende Jagd nach der Satanistensekte. Einen klassischen Horrorfilm sollte also niemand erwarten, grausige Szenen gibt es kaum und die FSK 16-Freigabe liegt fast ausschließlich in verbalen Schilderungen begründet (die aber auch niemals explizit ausfallen, sondern Vieles der Phantasie des Publikums überlassen).

Das ist ohne Zweifel eine seriöse Vorgehensweise, die zeigt, daß Amenábar – wie immer – größere Ambitionen hat als einfach nur irgendeinen Horrorfilm oder Psycho-Thriller zu drehen. Leider gibt es zwei nicht unerhebliche Störfaktoren: Erstens passiert in der Story nicht wirklich viel. Zweitens muß man im Grunde genommen ohne jedes Vorwissen über die amerikanischen Satanistenfälle in den 1980er und frühen 1990er Jahre an "Regression" herangehen, um nicht sehr früh zu ahnen oder sogar zu wissen, worauf alles hinausläuft. Dummerweise bin ich ein wenig mit der Thematik vertraut, weshalb der Überraschungseffekt an mir beinahe vollkommen vorbeiging und sich auch die Spannung in Grenzen hielt. Gleichzeitig hatte das immerhin den Vorteil, daß ich genau darauf achten konnte, wie glaubwürdig das scheinbar unausweichliche Ende vorbereitet wird. Und in der Hinsicht muß ich Amenábar ein großes Kompliment machen: Er offenbart ein gutes Auge für Details und die Dialoge (die nunmal den Hauptteil des Films ausmachen) sind so clever ausgearbeitet, daß man – wenn man weiß, wonach man sucht – die subtil eingestreuten Hinweise problemlos erkennt, ohne daß sie einem die Auflösung der Geschichte direkt ins Gesicht schreien. Das Ganze wirkt sehr authentisch und das ist es wahrscheinlich auch über weite Strecken. Nur leider ist es eben nicht sonderlich aufregend, und das enttäuschend banale Finale macht "Regression" erst recht nicht besser …

Die Schauspieler tun ihr Bestes, um den ziemlich verkopften Film auf eine emotionale Ebene herunterzuholen. Ethan Hawke mimt den getriebenen Cop mit gewohnter Überzeugungskraft, David Thewlis gibt routiniert den intellektuellen und stets sachlichen Gegenpart und Emma Watson hat zwar in der für sie ungewohnten Rolle als Mißbrauchsopfer gar nicht so viele Szenen, wie man denken würde, bringt die aber durchaus gekonnt rüber. Auch die Nebenrollen sind gut besetzt und eingesetzt, um beim Zuschauer Zweifel zu schüren – allen voran der selbst leicht fanatisch und tendentiell unheimlich (das englische Wort "creepy" trifft es noch besser) wirkende Reverend, aber auch der beschuldigte Cop oder Angelas Vater sowie ihre Großmutter Rose (Dale Dickey, "Wie ein weißer Vogel im Schneesturm"). Doch wie gesagt: Das alles hilft nur bedingt, die angesprochenen grundlegenden Probleme von "Regression" zu übertünchen, zu denen noch hinzukommt, daß die Darstellung mancher der durch die Therapie hervorgebrachten Erinnerungen Johns an die satanistischen Rituale hart an der Grenze zur unfreiwilligen Komik entlangschrammt. Anders formuliert: Die Regressionstherapie ist wohl schlicht und ergreifend nicht wirklich ein passendes Sujet für einen Film, zumindest wenn man wie hier (lobenswerterweise) auf eine übertrieben reißerische Herangehensweise verzichtet. So gesehen holt Amenábar wahrscheinlich sogar fast alles heraus, was die Thematik bei einer seriösen Bearbeitung hergibt; auch wenn das nicht übermäßig viel ist.

Fazit: "Regression" ist ein sehr dialoglastiger Psychothriller, der das Publikum in der Theorie geschickt mit falschen Fährten und kleinen Details verwirrt, in der Praxis aber trotzdem viel zu vorhersehbar ist – zumindest, sofern man auch nur ansatzweise mit der Thematik vertraut ist.

Wertung: 5,5 Punkte.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen