Regie und Drehbuch: Alejandro Amenábar, Musik: Roque Baños
Darsteller: Ethan Hawke, Emma Watson, David Thewlis, Peter
MacNeill, David Dencik, Aaron Ashmore, Dale Dickey, Lothaire Bluteau, Devon
Bostick, Kristian Bruun, Adam Butcher
Hoyer, Minnesota, 1990: Als die erst 17-jährige Angela Gray (Emma
Watson, "My Week with Marilyn") dem Reverend Murray (Lothaire
Bluteau, TV-Serie "Vikings") offenbart, daß sie von ihrem eigenen
Vater John (David Dencik, "Dame, König, As, Spion") sexuell
mißbraucht wurde, ist es mit der Ruhe in der verschlafenen Kleinstadt abrupt
vorbei. John, ein religiöser Eiferer, behauptet zwar, sich an nichts erinnern
zu können – dennoch gesteht er die Tat, weil seine Tochter stets die
Wahrheit sage. Dem ermittelnden Detective Bruce Kenner (Ethan Hawke,
"Boyhood") reicht das nicht, weshalb er den Psychologie-Professor
Kenneth Raines (David Thewlis, "Die Entdeckung der Unendlichkeit")
hinzuzieht. Der Spezialist in der relativ neuen Methode der hypnotischen
Regression schafft es tatsächlich, einige Erinnerungen in John zu
wecken – erschreckende Erinnerungen, die enthüllen, daß nicht er allein Angela
mißbrauchte, sondern auch ein Polizist (Aaron Ashmore, TV-Serie "Warehouse
13") und viele Unbekannte beteiligt waren und Angela das unfreiwillige
Zentrum satanistischer Rituale war …
Kritik:
Die menschliche Psyche spielte in den Werken des spanischen
Regisseurs und Drehbuch-Autors Alejandro Amenábar stets eine wichtige Rolle. In
seinem Langfilmdebüt, dem Horrorfilm "Faszination des Grauens", ging
es um einen psychopathischen Snuff-Serienkiller, in dem Verwirrspiel "Öffne die
Augen" (später von Cameron Crowe als "Vanilla Sky" in Hollywood
neu aufgelegt) um Wahrheit und Illusion, im Gruselfilm "The Others"
um Spukopfer, in "Das Meer in mir" um einen komplett gelähmten und
somit in seine eigene Psyche verbannten Journalisten und in "Agora"
um Philosophen und religiöse Fanatiker. Somit ist es kein Wunder, daß sich
"Regression" eigentlich mehr um die titelgebende, nicht unumstrittene
Therapieform dreht als um die auf den ersten Blick im Vordergrund stehende Jagd
nach der Satanistensekte. Einen klassischen Horrorfilm sollte also niemand
erwarten, grausige Szenen gibt es kaum und die FSK 16-Freigabe liegt fast ausschließlich
in verbalen Schilderungen begründet (die aber auch niemals explizit
ausfallen, sondern Vieles der Phantasie des Publikums überlassen).
Das ist ohne Zweifel eine seriöse Vorgehensweise, die zeigt,
daß Amenábar – wie immer – größere Ambitionen hat als einfach nur irgendeinen
Horrorfilm oder Psycho-Thriller zu drehen. Leider gibt es zwei nicht
unerhebliche Störfaktoren: Erstens passiert in der Story nicht wirklich viel. Zweitens muß man im Grunde genommen ohne jedes Vorwissen über die amerikanischen
Satanistenfälle in den 1980er und frühen 1990er Jahre an "Regression"
herangehen, um nicht sehr früh zu ahnen oder sogar zu wissen, worauf alles
hinausläuft. Dummerweise bin ich ein wenig mit der Thematik vertraut, weshalb
der Überraschungseffekt an mir beinahe vollkommen vorbeiging und sich auch die Spannung in Grenzen hielt. Gleichzeitig hatte das
immerhin den Vorteil, daß ich genau darauf achten konnte, wie
glaubwürdig das scheinbar unausweichliche Ende vorbereitet wird. Und in der
Hinsicht muß ich Amenábar ein großes Kompliment machen: Er offenbart ein gutes Auge
für Details und die Dialoge (die nunmal den Hauptteil des Films ausmachen) sind
so clever ausgearbeitet, daß man – wenn man weiß, wonach man sucht – die subtil
eingestreuten Hinweise problemlos erkennt, ohne daß sie einem die Auflösung der
Geschichte direkt ins Gesicht schreien. Das Ganze wirkt sehr authentisch und
das ist es wahrscheinlich auch über weite Strecken. Nur leider ist es eben nicht
sonderlich aufregend, und das enttäuschend banale Finale macht
"Regression" erst recht nicht besser …
Die Schauspieler tun ihr Bestes, um den ziemlich verkopften
Film auf eine emotionale Ebene herunterzuholen. Ethan Hawke mimt den
getriebenen Cop mit gewohnter Überzeugungskraft, David Thewlis gibt routiniert den
intellektuellen und stets sachlichen Gegenpart und Emma Watson hat zwar in der
für sie ungewohnten Rolle als Mißbrauchsopfer gar nicht so viele Szenen, wie
man denken würde, bringt die aber durchaus gekonnt rüber. Auch die Nebenrollen
sind gut besetzt und eingesetzt, um beim Zuschauer Zweifel zu schüren – allen voran
der selbst leicht fanatisch und tendentiell unheimlich (das englische Wort "creepy" trifft es noch besser) wirkende Reverend, aber
auch der beschuldigte Cop oder Angelas Vater sowie ihre Großmutter Rose (Dale
Dickey, "Wie ein weißer Vogel im Schneesturm"). Doch wie gesagt: Das
alles hilft nur bedingt, die angesprochenen grundlegenden Probleme von
"Regression" zu übertünchen, zu denen noch hinzukommt, daß
die Darstellung mancher der durch die Therapie hervorgebrachten Erinnerungen Johns an die
satanistischen Rituale hart an der Grenze zur unfreiwilligen Komik entlangschrammt. Anders formuliert: Die Regressionstherapie ist wohl schlicht und ergreifend nicht wirklich ein
passendes Sujet für einen Film, zumindest wenn man wie hier (lobenswerterweise)
auf eine übertrieben reißerische Herangehensweise verzichtet. So gesehen holt
Amenábar wahrscheinlich sogar fast alles heraus, was die Thematik bei einer
seriösen Bearbeitung hergibt; auch wenn das nicht übermäßig viel ist.
Fazit: "Regression" ist ein sehr
dialoglastiger Psychothriller, der das Publikum in der Theorie geschickt mit
falschen Fährten und kleinen Details verwirrt, in der Praxis aber trotzdem viel
zu vorhersehbar ist – zumindest, sofern man auch nur ansatzweise mit der
Thematik vertraut ist.
Wertung: 5,5 Punkte.
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