Originaltitel:
A Royal Night Out
Regie: Julian Jerrold, Drehbuch: Kevin Hood und Trevor De
Silva, Musik: Paul Englishby
Darsteller:
Sarah Gadon, Jack Reynor, Bel Powley, Rupert Everett, Emily Watson, Roger Allam, Jack
Laskey, Jack Gordon, Mark Hadfield, Ruth Sheen
FSK: 6, Dauer: 98 Minuten.
Als am 8. Mai 1945 der Zweite Weltkrieg in Europa durch die
bedingungslose Kapitulation Deutschlands endlich sein Ende fand, war dies nach
Jahren des Grauens ein Tag der Freude und des Jubels in den Siegermächten. In
der britischen Hauptstadt London feiert die Menge ausgelassen den "Tag der
Befreiung", während König George VI. (Rupert Everett, "In guten Händen")
seine Rede vorbereitet, die er um Mitternacht im Hörfunk halten wird. Thronfolgerin
Elizabeth (Sarah Gadon, "Dracula Untold") und ihre jüngere Schwester
Margaret (Bel Powley, "The Diary of a Teenage Girl") sollten bei der
Rede eigentlich auch anwesend sein und sich anschließend auf dem Balkon des
Buckingham Palace den jubelnden Untertanen zeigen, doch die Teenager (Elizabeth ist
19, Margaret fast 15) können den König gegen den Willen ihrer Mutter Elizabeth
(Emily Watson, "Everest") überreden, diese so besondere Nacht inkognito als "Lizzie" und "Maggie" außerhalb
des Palasts zu verbringen. Natürlich sorgt die Königin dafür, daß der Abend
dennoch sehr reglementiert vonstatten gehen soll: Zwei verläßliche Offiziere
begleiten die jungen Damen direkt zum noblen Hotel Ritz, wo sie in einem
abgetrennten Raum mit ausgewählten Personen aus der gehobenen Gesellschaft stilvoll
feiern sollen. Auf Initiative Margarets entwischen die Schwestern ihren
Aufpassern jedoch bald, verlieren sich allerdings in dem Getümmel. Während Maggie
die Nacht in "Freiheit" einfach nur genießen will, versucht die
vernunftgetriebene Lizzie, ihre Schwester wiederzufinden – und
greift dabei auf die Hilfe des mürrischen Soldaten Jack (Jack Reynor,
"Transformers 4") zurück, über den sie in einem Bus ziemlich buchstäblich stolpert …
Kritik:
Es ist schon bemerkenswert, wie schnell sich die Dinge ändern
können. Noch vor knapp 20 Jahren, nach dem Tod von Lady Di 1997, wäre ein so
offensiv unkritischer – manche könnten sogar sagen: royalistischer – Film wie
"A Royal Night" schlicht und ergreifend undenkbar gewesen. Damals
wurde in der Öffentlichkeit ernsthaft über das Ende der traditionsreichen
(repräsentativen) Monarchie in Großbritannien diskutiert, heute zählt Queen
Elizabeth II. zu den beliebtesten Menschen weltweit und auch ihr lange
belächelter Sohn und Thronfolger Prince Charles sowie dessen Söhne William und
Harry können sich über mangelnde Popularität nicht beschweren.
Vielleicht hat sogar ein Film bei diesem ungewöhnlichen Stimmungsumschwung
mitgeholfen, denn Stephen Frears' OSCAR-gekrönter "The Queen" machte
(nicht nur) für die Briten das distanzierte Verhalten der Royals nach der
Tragödie um die frühere Prinzessin Diana nachvollziehbar. "A Royal
Night" von Regisseur Julian Jarrold ("Geliebte Jane") hat
keinerlei derartige Ambitionen, stattdessen handelt es sich um eine Feelgood-Komödie,
die fast schon als bewundernde "fan fiction" über die jungen Jahre
der heutigen Queen durchgehen könnte. Was übrigens gar nicht negativ gemeint ist, denn
wenn das Resultat dermaßen unterhaltsam ausfällt wie "A Royal
Night", dann hat man als Zuschauer kaum Grund zur Beschwerde!
Amüsanterweise basiert "A Royal Night" übrigens
lose auf wahren Geschehnissen – wobei die Betonung hier klar
auf "lose" liegt, denn wenngleich natürlich niemand außer den
Beteiligten jemals genau wissen wird, was in dieser Nacht passiert ist, so ist
doch klar, daß es nicht so ablief wie in der Phantasie der beiden
Drehbuch-Autoren (beispielsweise sind die Prinzessinnen mit einer ganzen Gruppe
aufgebrochen und auch pünktlich wieder zurück im Palast gewesen). Doch da die
Realität mit großer Wahrscheinlichkeit sehr viel langweiliger ablief als die
hübsche Geschichte, die "A Royal Night" erzählt, hätte sie wohl kaum
Stoff für einen unterhaltsamen Film abgegeben. Fakt ist jedenfalls, daß der
Film trotz der frei erfundenen (aber erkennbar von William Wylers Klassiker
"Ein Herz und eine Krone" mit Audrey Hepburn und Gregory Peck
inspirierten) Story jederzeit höchsten Respekt gegenüber der aktuellen Queen und
ihren Eltern wahrt. Das läßt sich schon anhand der tonalen Aufteilung der
verschiedenen Handlungsstränge erkennen: Prinzessin Margaret und die beiden überforderten
Aufpasser-Offiziere sorgen für die Comedy, während
Prinzessin Elizabeth und das Königspaar stets humorvoll-ernsthaft und voller Würde
bleiben.
Das mag man etwas unfair gegenüber der armen (2002
verstorbenen) Margaret finden, aber angesichts der zahlreichen realen Skandale
und Skandälchen der wilden Prinzessin (eine der pikanteren Geschichten über sie
kennen eifrige Kinogänger aus dem empfehlenswerten Action-Thriller "Bank
Job" mit Jason Statham) nehmen sich ihre Abenteuer in "A Royal
Night" reichlich harmlos aus. Außerdem kommt sie als naive, feierwütige Jugendliche dank der liebenswürdigen Verkörperung durch Bel Powley sehr sympathisch
rüber. Das gilt generell für alle dargestellten Royals, auch wenn Lizzies
Mutter Königin Elizabeth vielleicht etwas arg streng erscheint – was für eine
Mutter zweier Teenager aber natürlich nicht ungewöhnlich ist. Emily Watson
gelingt es jedenfalls, die Königin trotz oder gerade wegen dieser Strenge als
liebevolle, besorgte Mutter zu zeigen, während Rupert Everett die schwere
Aufgabe, die gleiche Rolle des stotternden Königs George zu verkörpern, für die
Colin Firth vor wenigen Jahren den OSCAR gewann (in "The King's
Speech"), mit jeder Menge Charme meistert. Für die schauspielerischen
Highlights sorgt jedoch Sarah Gadon, die der echten Elizabeth II. in jungen
Jahren nicht nur erstaunlich ähnlich sieht (vielleicht sogar mehr als Helen
Mirren der älteren Elizabeth II. in "Die Queen"), sondern diese
extrem öffentliche Figur so überzeugend und authentisch verkörpert, daß man
sich sehr gut vorstellen kann, daß sie damals tatsächlich so war: Ernst, vernünftig,
aber auch romantisch und dezent humorvoll, dazu bereits mit jener buchstäblich majestätischen
Autorität, die sie nach dem frühen Antritt ihres "Amts" schnell
auszeichnen sollte.
Durch Lizzies Begegnung mit dem einfachen Soldaten Jack – einem
Kriegshelden, der keiner sein will – gerät auch der geschichtliche Hintergrund
nicht in Vergessenheit in dieser ansonsten so unbeschwerten Komödie. Auf ihrer
Irrfahrt quer durch London lernt Lizzie Seiten der Stadt und der Gesellschaft
kennen, die ihr zwangsläufig völlig neu sind; sie erfährt auch erstmals aus
nächster Nähe, welche Opfer in vielerlei Hinsicht der verlustreiche Krieg von
den Bürgern forderte. Gleichzeitig bekommt sie aber ebenfalls zu spüren, wie stark
sich die Hoffnungen des Volkes auf ihren König und dessen Thronfolgerin richten,
die die siegreiche, aber zerbombte Nation in eine hoffnungsvolle Zukunft führen
sollen. So ist "A Royal Night" ein bißchen auch ein Road-Movie und
ein Coming of Age-Film, in dem die royale Protagonistin erstmals richtig mit
der Wirklichkeit (und zarten romantischen Gefühlen) konfrontiert wird und an
diesem Erlebnis wächst. Natürlich ist das alles – zumal angesichts der
Zeitspanne von nur einer Nacht – wenig glaubwürdig, aber innerhalb des Films
funktioniert es wunderbar. Dafür sorgen die durchweg charismatischen Darsteller
ebenso wie Regie und Drehbuch, denen es sogar gelingt, die im Kern komplett erwartbare Handlung durch einige im Detail dann doch unvorhersehbare und stets sehr unterhaltsame Schlenker (herrlich etwa Maggies zwanglose Unterhaltung
mit einigen Prostituierten, in der jede einzelne Dialogzeile vom jeweiligen
Zuhörer zum großen Vergnügen des Publikums komplett falsch verstanden wird) bis
zum Letzten auszureizen.
Fazit: "A Royal Night – Ein königliches
Vergnügen" wird seinem Untertitel weitgehend gerecht und bietet
dem Publikum eine zwar bemerkenswert unkritische, dafür aber umso amüsantere Phantasie
mit Herz über die damalige Thronfolgerin Elizabeth.
Wertung: 8 Punkte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen