Originaltitel: Sakasama no Patema
Regie und Drehbuch: Yasuhiro Yoshiura, Musik: Michiru Ôshima
Sprecher der Originalfassung: Yukiyo Fujii, Nobuhiko
Okamoto, Hiroki Yasumoto, Masayuki Katô,
Shintarô Oohata, Shinya Fukumatsu, Maaya Uchida, Gou Shinomiya
In der nicht allzu fernen Zukunft sorgt ein katastrophal
fehlgeschlagenes Experiment dafür, daß die Gravitation auf der Erde sich
umkehrt und ein Großteil der Menschen in den Weltall "fliegt" (und
damit natürlich stirbt). Einige Überlebende bauen eine komplett unterirdische
Gesellschaft auf, in der auch die 15-jährige Patema lebt. Ihr väterlicher
Freund Lagos, ein Entdecker, ist vor Jahren spurlos verschwunden und so wird
Patema stets gefährlich von den wenigen offenen Zugängen zur Oberfläche
angezogen, deren Betreten streng verboten ist. Eines Tages fällt sie (aufgrund der umgekehrten Schwerkraft)
versehentlich in einen dieser Schächte und landet verängstigt auf der
Erdoberfläche, wo sie sich nur mit Mühe festhalten kann, um nicht ins All zu
fallen. Zu ihrem Glück findet sie der gleichaltrige Schüler Age, denn auf der
Oberfläche hat sich die Gravitation wieder in ihren ursprünglich Zustand
zurückverwandelt und andere Überlebende haben einen totalitären Staat gegründet. Age hilft Patema, denn indem sie sich aneinander festhalten,
kann er sie ebenso auf der Erde halten, wie unterirdisch sie ihn vor einem
tödlichen Sturz bewahren könnte. Patema und Age freunden sich schnell an, doch
unglücklicherweise wird durch die zahlreichen Sicherheitskameras ebenso der
fanatische Staatschef Izamura auf Patema aufmerksam, der die
"Inverts" für Sünder hält und sie allesamt vernichten will …
Kritik:
Japanische Zeichentrickfilme sind ja eigentlich fast immer
einen Blick wert und da macht das Langfilmdebüt von Yasuhiro Yoshiura keine
Ausnahme. An die qualitativen Höhen der Filme von Hayao Miyazaki ("Wie der Wind sich hebt") oder anderer Studio Ghibli-Produktionen reicht "Patema
Inverted" zwar aufgrund einiger Schwächen nicht heran,
ungewöhnlich und interessant ist die buchstäblich abgedrehte und schön gezeichnete Story aber
allemal. Gleichzeitig muß konstatiert werden, daß das Potential der spannenden
Prämisse bedauerlicherweise nur im Ansatz ausgeschöpft wird.
Denn in der Theorie ist die Ausgangskonstellation zweier
wortwörtlich gegensätzlicher Welten, die unverhofft aufeinanderprallen, ja
wirklich vielversprechend. Yoshiura geht sie auch durchaus ambitioniert
an, indem er die zarte Liebesgeschichte der beiden zentralen Teenager mit einer
dystopischen Atmosphäre samt leichter religiöser Anklänge (Bösewicht Izamura
spricht von einer biblischen "Entrückung", nur es daß in diesem Fall
durch die umgedrehte Gravitation der "Inverts" aus seiner Sicht die
"Sünder" sind, die entrückt werden) verbindet. Leider ist seine
Vorgehensweise im Detail alles andere als subtil. Zudem fällt generell auf, daß
die Figuren einem seltsam fremd bleiben – lediglich Patema und Age lernt das
Publikum näher kennen, doch selbst die Wirkung dieser beiden sympathischen
Protagonisten wird dadurch erheblich reduziert, daß ihre Romanze nur bedingt
glaubwürdig rüberkommt. Vor allem im Vergleich zu anderen japanischen
Zeichentrickfilmen wie etwa dem wunderbaren "Das Mädchen, das durch die
Zeit sprang" will der Funke einfach nicht so richtig zum Publikum
überspringen.
Die übrigen Charaktere bleiben bloße, größtenteils
uninteressante Schablonen – allen voran der von blindem Fanatismus getriebene
Izamura, der als völlig übertriebener, größenwahnsinniger
Klischee-Bösewicht präsentiert wird, der ohne eine echte Begründung alle
"Inverts" töten will. Negativ fällt bei der Originalfassung übrigens
auch noch ins Gewicht, daß die Sprecher vor allem zu Beginn selbst für
asiatische Filmverhältnisse arg hysterisch auftreten. Des weiteren verläuft die
Handlungsentwicklung selbst zwar durchaus interessant, Yoshiura geht aber
für meinen Geschmack zu wenig auf die Eigenheiten der beiden so verschiedenen Welten ein.
Das "Schwerkraft-Gimmick" wird überstrapaziert, die restlichen
Unterschiede – und davon gibt es offensichtlich viele – werden sträflich vernachlässigt, was wiederum an der Glaubwürdigkeit der Filmwelt
nagt. Auch hier gibt es genügend Beispiele, wie man das besser macht, etwa in
"Die Reise nach Agartha", in dem ebenfalls zwei grundverschiedene
Welten – eine davon unter der Erde – aufeinandertreffen. So ist "Patema
Inverted" zwar ein netter Film, der aufgrund seiner ungewöhnlichen
Prämisse mit einigen wirklich beeindruckenden, teilweise gar denkwürdigen Bildkompositionen aufwarten kann;
gleichzeitig mangelt es ihm aber doch nicht unerheblich an erzählerischer
Raffinesse und emotionaler Wucht.
Fazit: "Patema Inverted" ist ein durchaus gelungener
Zeichentrickfilm, der fantasievoll eine leicht dystopische Geschichte im
Orwell-Stil erzählt, deren Potential aber nicht ausschöpft und bei der
Figurenzeichnung und somit auch der emotionalen Bindung zum Publikum
schwächelt.
Wertung: Knapp 7 Punkte.
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