Regie: Adam
Wingard, Drehbuch: Simon Barrett, Musik: Steve Moore
Darsteller:
Dan Stevens, Maika Monroe, Brendan Meyer, Lance Reddick, Sheila Kelley, Leland
Orser, Tabatha Shaun, Chase Williamson, Joel David Moore, Ethan Embry, AJ Bowen
FSK: 18, Dauer: 100 Minuten.
Familie Peterson trauert um den ältesten Sohn Caleb, der als
US-Soldat im Einsatz getötet wurde. Als einige Zeit später ein gutaussehender
junger Mann namens David (Dan Stevens) vor der Tür steht, der erzählt, er habe
mit Caleb gedient, sei gut mit ihm befreundet gewesen und habe dem Sterbenden
versprochen, sich um seine Familie zu kümmern, bietet ihm Laura (Sheila Kelley,
"Tage wie dieser …") sofort an, ein paar Tage zu bleiben und im
Zimmer ihres gefallenen Sohnes zu übernachten. Lauras Ehemann Spencer (Leland
Orser, "Alien – Die Wiedergeburt") ist von dem eigenmächtigen Angebot
zunächst wenig begeistert, lernt David jedoch schnell als angenehmen Saufkumpan
zu schätzen. Der jüngste Sohn Luke (Brendan Meyer, Hauptdarsteller der
kanadischen Teenie-Sitcom "Mr. Young") himmelt David regelrecht an,
nachdem ihm dieser gegen einige Rüpel aus seiner Highschool geholfen hat;
lediglich die 20-jährige Tochter Anna (Maika Monroe, "It Follows")
bleibt dem geheimnisvollen Fremden gegenüber skeptisch. Dennoch fügt sich der
äußerst hilfsbereite David gut in die Familie ein und so werden aus wenigen Tagen
Aufenthalt mehrere Wochen, auch Anna kann sich dem Charisma des
stets zuvorkommenden David irgendwann nicht mehr verschließen – doch dann hört sie
zufällig eine Telefonat Davids mit und beschließt, etwas über dessen
Vergangenheit zu recherchieren. Eine folgenschwere Entscheidung, die eine ganze
Kette fataler Geschehnisse in Gang setzt …
Kritik:
Es ist nie ohne Risiko, wenn sich ein erfolgreicher
Seriendarsteller dazu entschließt, aus dem TV-Geschäft auszusteigen und sein Glück
im Kino versuchen. Bei allzu vielen scheitert dieses Vorhaben ziemlich schnell,
doch die zwar vergleichsweise wenigen, aber durchaus vorhandenen Ausnahmen
(Michael Douglas, Bruce Willis, George Clooney) überstrahlen die enttäuschten
Hoffnungen bald wieder Vergessener deutlich. In der heutigen Zeit, in der
TV-Serien eine nie dagewesene qualitative Blüte feiern und auch zunehmend
gestandene Kinostars anlocken, ist der Ausbruch aus einer funktionierenden
Serienwelt wohl noch mutiger als er es früher war – doch es sieht so
aus, als könnte der Brite Dan Stevens es tatsächlich schaffen. Bekannt wurde er
als idealistischer Adelserbe Matthew Crawley in der Hitserie "Downton
Abbey", aus der er 2012 nach der dritten Staffel ausstieg. Seitdem
spielte er unter anderem größere Nebenrollen in namhaften Produktionen wie
"Inside WikiLeaks", "Ruhet in Frieden" oder "Nachts im
Museum 3", aber seine bislang beste, aufsehenerregendste Leistung liefert
er in "The Guest" ab. Dem Independent-Genrefilm von Adam Wingard
("You're Next") war zwar kein großer kommerzieller Erfolg
beschieden, er lief aber erfolgreich auf diversen Festivals und kann mit
ausgezeichneten Kritiken protzen – in denen vor allem und vollkommen zurecht Stevens'
Leistung hervorgehoben wird.
Denn Stevens gelingt es ganz vorzüglich, David als charismatischen
jungen Mann mit einer natürlichen Autorität zu verkörpern, dem man leicht
verfallen kann – auch wenn er einen Hang zu brutalem Vorgehen an den Tag legt
(aber eben zunächst immer im Dienst des "Guten"). Gleichzeitig ist sein Verhalten von einer gewissen, nicht wirklich greifbaren Kühle durchzogen, die Annas Vorbehalte
glaubwürdig macht.
Daß etwas mit dem so zuvorkommenden jungen Mann nicht stimmen kann, ist für den
Zuschauer offensichtlich, nur die Stoßrichtung bleibt lange rätselhaft –
gibt er den, nunja, etwas überambitionierten, aber gutmeinenden Schutzengel für
die Familie seines toten Freundes? Oder ist er stattdessen ein gefährlicher
Soziopath mit unbekannter Motivation? Die Antwort auf diese Frage erhält man
gar nicht so spät, doch bis es so weit ist, bleibt die Spannung trotz des bis
dahin nicht geringen (und bemerkenswert gut mit den Suspense-Elementen
harmonierenden) Humoranteils der Geschichte unheimlich hoch.
Wie so einige (im weiteren Sinne) Horrorfilme der letzten Jahre
(allen voran "The Cabin in the Woods", "Insidious" oder
auch "The Voices") vollzieht auch "The Guest" in der
zweiten Hälfte einen deutlichen stilistischen Umschwung, wechselt eigentlich
sogar die Genres. So wird aus dem anfänglich ungemein atmosphärischen und schwarzhumorigen Psycho-Thriller plötzlich, ausgelöst durch das Auftauchen von Major
Carver (Lance Reddick aus der TV-Serie "Fringe"), ein ebenso rasanter wie brutaler
Action-Horrorfilm, der sich als Over the Top-Hommage an die frühen Meisterwerke
eines John Carpenter ("Halloween", "Die Klapperschlange")
oder Brian De Palma – der buchstäblich theatralische Showdown würde auch
wunderbar in "Phantom of the Paradise" passen – in den 1970er und 1980er
Jahren gefällt. Dazu paßt der stimmungsvolle Retro-Synthesizer-Soundtrack,
der in den zurückgenommenen Momenten an John Carpenters selbst komponierte
minimalistische Gänsehaut-Melodien ("The Fog") erinnert, nur um (ähnlich wie Gregg Arakis "White Bird in a Blizzard") immer
wieder von mitreißenden New Wave-Songs im Stil von Depeche Mode und Konsorten
unterbrochen zu werden (die bekannteste tatsächlich mit einem Lied vorkommende
Band sind die Sisters of Mercy).
Erfahrungsgemäß gefällt ein solch extremer
Stimmungsumschwung innerhalb eines Films nicht allen Zuschauern – nicht ohne
Grund haben "The Cabin in the Woods", "Insidious" und auch
"The Guest" bei den für innovative Kniffs
empfänglicheren professionellen Kritikern noch deutlich besser abgeschnitten als beim in dieser
Hinsicht durchschnittlich eher konservativen zahlenden Publikum. Ich kann das
ein Stück weit schon nachvollziehen, schließlich läßt man sich auf eine bestimmte Art
von Film ein, die in diesem Fall auch noch hervorragend ausgeführt ist … nur um
dann mittendrin unverhofft etwas ganz anderes präsentiert zu bekommen. Mir
gefällt so etwas allerdings vorzüglich, da ich es liebe, wenn ein Film aus dem
Mainstream ausbricht und auch mich als notorischen Vielseher zumindest noch ein bißchen
überraschen kann. Wer die Handlungsentwicklung von "The Guest" als
übertrieben und damit wenig glaubwürdig kritisieren will, dem kann ich kaum
widersprechen; das Gesamtpaket "The Guest" funktioniert für mich als glänzend konstruierter Unterhaltungsfilm im Retro-Stil aber einwandfrei –
zumal das Drehbuch von Simon Barrett ("Red Sands") sich in der ersten Hälfte viel Zeit nimmt, um die Hauptfiguren präzise auszugestalten und nicht nur dabei immer wieder mit gewitzten Dialogen und herrlich trockenen Onelinern von David
aufwartet.
Fazit: "The Guest" startet als
ein atmosphärischer Psycho-Thriller und endet als hemmungslos übertriebener
Action-Horrorfilm im Stil der frühen 1980er Jahre – das dürfte manche Zuschauer etwas überfordern, aber Dan Stevens' ausgezeichnete Leistung als mysteriöser Protagonist
(oder doch Antagonist?) David, ein durchdachtes Drehbuch und Adam Wingards
nuancenreiche Inszenierung machen "The Guest" zu einem Highlight für
aufgeschlossene Genrefans.
Wertung: 8,5 Punkte.
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