Regie:
Matthew Vaughn, Drehbuch: Jane Goldman, Matthew Vaughn, Musik: Henry Jackman
und Matthew Margeson
Darsteller:
Colin Firth, Taron Egerton, Samuel L. Jackson, Sir Michael Caine, Mark Strong,
Sophie Cookson, Sofia Boutella, Samantha Womack, Geoff Bell, Nicholas Banks,
Nicholas Agnew, Jack Cutmore-Scott, Rowan Polonski, Tom Prior, Fiona Hampton,
Björn Floberg, Hanna Alström, Jack Davenport, Mark Hamill
FSK: 16, Dauer: 129 Minuten.
Gary Unwin (Taron Egerton), genannt "Eggsy", ist
eigentlich ein sehr talentierter junger Mann, doch aus Sorge um seine Mutter –
die den frühen Tod ihres Mannes nie verwunden hat und nun mit einem brutalen
Gangster zusammenlebt – nutzt er seine Möglichkeiten nicht, sondern bleibt bei
ihr in einem heruntergekommenen Londoner Vorort. Als er sich eines Tages wieder
einmal mit den Schergen seines Stiefvaters anlegt und in der Folge im Gefängnis
landet, zieht Eggsy seinen letzten Trumpf: Er ruft eine Telefonnummer an, die
ihm ein eleganter Gentleman vor vielen Jahren für den Notfall überreicht hat,
als er Eggsys Mutter vom Tod ihres Gatten in Kenntnis setzte. Und der Anruf wirkt
Wunder: In Windeseile ist Eggsy wieder frei und wird von besagtem Gentleman
abgeholt, der sich ihm als Harry Hart (Colin Firth, "Dame, König, As, Spion") vorstellt, Inhaber eines traditionsreichen Schneidergeschäfts.
Allerdings ist das nur eine Tarnidentität, denn in Wirklichkeit ist dieser Harry Hart – wie einst
Eggsys Vater – ein britischer Geheimagent, ein "Kingsman". Harry
bietet Eggsy an, ihn auszubilden, damit er ebenfalls in die Organisation
aufgenommen werden kann. Der akzeptiert, doch das Auswahlverfahren der
Kingsmen ist richtig hart. Während der junge Mann und seine Konkurrenten
verbissen um einen freigewordenen Platz als Geheimagent kämpfen, bekommt es Harry mit dem mysteriösen Verschwinden zahlreicher Prominenter rund um die Welt zu
tun – und mit dem hemdsärmeligen Milliardär Valentine (Samuel L. Jackson, "Django Unchained"), der sich als Wohltäter gibt, aber finstere Hintergedanken
hegt …
Kritik:
Comicverfilmungen sind im Kino (und zunehmend auch im TV-Bereich) bekanntlich bereits seit
etlichen Jahren ganz groß in Mode – von den klassischen Superhelden-Comics á la "The Avengers" oder "The Dark Knight" über anspruchsvolle Graphic
Novels wie "Road to Perdition", "A History of Violence"
oder "V wie Vendetta" bis hin zu schrägen Indie-Comics wie
"Ghost World" oder "Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt"; der gezeichnete Fundus, aus dem die Filmbranche schöpfen kann, ist schier
unendlich. Zu den ungewöhnlicheren Vorlagen zählen einige Comics von Mark
Millar – und auf die scheint der britische Regisseur Matthew Vaughn besonders
zu stehen, denn nachdem er bereits Millars etwas andere Superhelden-Geschichte
"Kick-Ass" erfolgreich adaptierte, hat er sich nun "Secret Service" gewidmet, einer irrwitzigen Parodie auf die eleganten
Spionage-Filme der 1960er Jahre. Nun ist es zwar nicht übermäßig originell, die
alten James Bond-Filme auf den Arm zu nehmen ("Johnny English" läßt
grüßen), aber "Kingsman" ist eben – obwohl sich das von Vaughn gemeinsam mit Jane
Goldman ("Der Sternwanderer") geschriebene Drehbuch inhaltlich nur lose an der Vorlage
orientiert – typisch Mark Millar und damit … anders. Hier heißt
"anders" unter anderem, daß es in dieser ganz besonderen Geheimagenten-Story
extrem brutal zugeht, wobei die Wirkung der zeigefreudigen Szenen dadurch abgemildert wird,
daß sie von Anfang bis Ende hemmungslos überzogen wirken. Dieses Stilmittel überzeugte
sogar die FSK davon, Vaughns Film trotz teils extremer Splatter-Szenen ab
16 Jahren freizugeben – gut so, denn "Kingsman: The Secret Service"
ist dermaßen gut und dabei unglaublich spaßig geworden, daß er jeden einzelnen
Kinozuschauer verdient hat (und erfreulicherweise sind es sehr viele, die "Kingsman" zu einem veritablen Hit machten)!
Wie so viele Kinofilme in den letzten Jahren läßt sich auch
"Kingsman" ziemlich klar in zwei unterschiedliche Hälften
unterteilen. Zwar ist die tonale Veränderung hier nicht ganz so extrem wie etwa
in "The Cabin in the Woods" oder den beiden Fantasy Filmfest-Hits
"The Voices" und "The Guest", aber ein Blick auf die internationalen
Kritiken zeigt doch sehr gut, daß auch bei "Kingsman" die zweite
Hälfte konträre Reaktionen hervorruft. Das ist durchaus
nachvollziehbar, wandelt sich die Geschichte doch von einer anfangs noch halbwegs
konventionell erzählten Spionagegeschichte hin zu einer völlig durchgeknallten,
mit cartoonhafter Gewalt durchzogenen Weltrettungsstory. Die
erste Hälfte unterteilt sich in zwei große Handlungsstränge: Zunächst
steht meist Eggsys Ausbildung zum Gentleman-Spion im Fokus, während die
Ermittlungen der Kingsmen hinsichtlich der verschwundenen Prominenten noch
zweitrangig bleiben. Für sich genommen ist in dieser Phase keine der
beiden Storylines herausragend, im Zusammenspiel funktionieren sie jedoch
ausgezeichnet. Während Harrys harte "Boot Camp"-Erfahrungen zwar im
Kern wenig originell daherkommen, können sie mit (nach einer kurzen
Einführungsphase) hohem Tempo sowie immer neuen witzigen Einfällen und Tests
für die Rekruten punkten, wobei schauspielerisch vor allem der charismatische Hauptdarsteller
Taron Egerton sowie der alte Haudegen Mark Strong ("The Guard") als
Ausbildungsleiter mit trockenem Humor glänzen. Der dennoch unbestreitbaren
Vorhersehbarkeit von Eggsys Training entgegen wirken regelmäßige Umschnitte zu
Harrys Ermittlungen, die dringend benötigte Spannung in die Handlung
bringen. Daß der Milliardär Valentine der Bösewicht der Geschichte ist, wird
zwar schnell verdeutlicht; auch ist bald klar, daß er die Promis entführt
und daß sein Plan irgendwie mit Umweltschutz zu tun hat. Was genau hinter
seinem Vorgehen steckt, bleibt aber erfreulich lange im Dunklen und dürfte sich
auch von aufmerksamen Zuschauern nur schwer enträtseln lassen – zumal die Story
immer wieder mit Überraschungen glänzt, die man in aller Regel selbst als ein
geübter Kinogänger kaum antizipieren kann.
Das gilt übrigens für so ziemlich die komplette zweite
Filmhälfte. Kommt "Kingsman" zunächst noch – trotz diverser
parodistisch-komödiantischer Einlagen – einigermaßen geerdet daher, so werden
in Richtung Showdown zunehmend alle Grenzen lustvoll gesprengt. Die Handlung
wird mehr oder weniger zu einer typischen "Mad Scientist"-Story wie
aus einem James Bond-Film der 1960er Jahre ("Goldfinger", "Feuerball"),
allerdings mit einem aktuellen gesellschaftlichen, letztlich gar revolutionären Twist,
was gegen Ende in einer wahrlich un-faß-baren Anti-"V wie
Vendetta"-Szene zu den unsterblichen Tönen von Edward Elgars "Pomp
and Circumstance" kulminiert! Überhaupt ist die zweite Hälfte dermaßen irre und überzeichnet brutal geraten (was einige Kritiker
und auch manche Kinogänger nachhaltig vergrault hat), daß vermutlich selbst die
für durchgeknallte Filmstoffe berühmt-berüchtigten Japaner neidisch sind.
Eingeleitet wird das Ganze durch eine lange Kampfsequenz in einer Kirche, die
sensationell choreographiert ist und in ihrer Machart an die legendäre Korridorsequenz in Park Chan-wooks Rachereißer "Oldboy" erinnert – ein
größeres Kompliment kann ich einer Kampfsequenz kaum machen. Allerdings ist die
Kamera manchmal etwas zu nahe dran am Geschehen, womit die Übersicht
vorübergehend flöten gehen kann.
Zum Reiz von "Kingsman" zählt derweil nicht nur
die hochkarätige Besetzung, sondern vor allem auch deren konkreter Einsatz. Matthew
Vaughn hat nämlich viele Darsteller erkennbar gegen den Strich besetzt: Colin
Firth gibt zwar grundsätzlich den eleganten Gentleman, als den man den
ehemaligen "Mr. Darcy" aus der BBC-Miniserie "Stolz und
Vorurteil" kennt … bei der erwähnten Actionsequenz in der Kirche läßt er
dann aber mal so richtig die Sau raus und offenbar ungeahnte – aber sehr
willkommene! – "Badass"-Qualitäten. Bei Samuel L. Jackson trifft eher
das Gegenteil zu. Sonst stets der "Mr. Cool" wie als "Shaft"
oder als Nick Fury in den "Avengers"-Filmen, ist er in
"Kingsman" eigentlich so uncool wie man nur sein kann: er lispelt
stark, hat ein gezwungen legeres, in seinem Alter ziemlich albern wirkendes
Auftreten samt Baseball-Cap, außerdem kann er partout kein Blut sehen. Und Mark
Strong scheint seinem umfangreichen Portfolio an gut gespielten Nebenrollen
einen weiteren Part hinzuzufügen, bis er irgendwann tatsächlich in einen
astreinen Helden-Modus umschalten darf – der ihm verdammt gut steht! Man merkt
den Schauspielern regelrecht an, wie sehr sie es genießen, sich einmal ganz
anders geben zu dürfen als man es sonst von ihnen gewohnt ist. Da muß man den
guten Michael Caine schon fast bedauern, der als Chef der Kingsmen eine für ihn
relativ "normale" Rolle spielt, die er aber selbstredend mit
der gewohnten Souveränität auf die Leinwand bringt. Erfreulicherweise halten sich
die Jungdarsteller neben dieser Riege an erfahrenen Hochkarätern übrigens
ganz ausgezeichnet. Newcomer Taron Egerton, der echte Starqualitäten mehr als nur
erahnen läßt, habe ich ja bereits gelobt, aber auch Sophie Cookson (die vorher
nur zwei Rollen gespielt hat, darunter eine in einer Rosamunde
Pilcher-Verfilmung) als seine Mitrekrutin Roxy und die Algerierin Sofia
Boutella ("StreetDance 2") als Valentines Sidekick-Kampfmaschine
Gazelle (deren laserscharfe Klingenbeine selbst Rose McGowans
Maschinengewehr-Prothese aus Robert Rodriguez' blutiger Grindhouse-Hommage "Planet
Terror" beinahe harmlos wirken lassen) stehen problemlos ihre Frau. Die
Besetzung zählt also ohne jeden Zweifel zu den vielen Stärken von "Kingsman:
The Secret Service" – und dabei bin ich noch nicht einmal auf die köstlichen
Kurzauftritte von Mark "Luke Skywalker" Hamill (der in der Graphic
Novel übrigens auch eine Rolle spielt, allerdings eine ganz andere) als
Professor, Jack Davenport ("Fluch der Karibik", TV-Serie
"Coupling") als Kingsman "Lancelot" und Hanna Alström
(aus der TV-Serie "Real Humans") als gänzlich unprinzessinenhafte schwedische
Prinzessin Tilde eingegangen. Mein einziger kleiner Kritikpunkt: Ich finde es
schade, daß es keine Cameos der laut Handlung ja dutzendweise entführten
(und teilweise sogar namentlich genannten) Promis gibt. Das wäre gewissermaßen
das Sahnehäubchen gewesen, aber auch so ist Matthew Vaughn und seinem Team ein
echter Hit gelungen. Fortsetzung erwünscht!
Fazit: "Kingsman: The Secret Service" ist
eine temporeiche und glänzend besetzte Spionage-Actionfarce, die halbwegs
seriös beginnt und dann immer weiter in die grenzenlosen Weiten höchst spaßigen
Irrsinns abgleitet – die (comichaft überzeichnete) Brutalität wird gewiß nicht
jedem munden, doch wer sich darauf einlassen kann, der bekommt hier eine mutige
Graphic Novel-Verfilmung dargeboten, die sich stark vom üblichen
Hollywood-Mainstream abhebt.
Wertung: 9 Punkte.
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