Regie: Sir Kenneth Branagh, Drehbuch: Chris Weitz, Musik:
Patrick Doyle
Darsteller: Lily James, Cate Blanchett, Richard Madden,
Sir Derek Jacobi, Stellan Skarsgård, Helena Bonham Carter, Nonso Anozie,
Holliday Grainger, Sophie McShera, Jana Perez,
Eloise Webb, Ben Chaplin, Hayley Atwell
FSK: 0, Dauer: 105 Minuten.
Das heile Familienglück der kleinen Ella (Eloise Webb) wird durch den
krankheitsbedingten Tod ihrer Mutter (Hayley Atwell, "Captain America") jäh beendet. Während sie den Wunsch ihrer Mutter zu erfüllen
versucht, weiterhin stets optimistisch zu sein und das Leben zu genießen, fällt
das ihrem Vater (Ben Chaplin, "Mord nach Plan"), einem häufig im Land
umherreisenden Kaufmann, viel schwerer. Als er unterwegs die elegante Witwe
Lady Tremaine (Cate Blanchett, "Die Tiefseetaucher") kennenlernt,
entschließt er sich, sie zu heiraten. Die inzwischen zu einer jungen Frau gereifte
Ella (Lily James) hat nichts dagegen
einzuwenden, sie wünscht sich nur, daß ihr Vater wieder glücklich ist.
Dafür kann sie auch mit der kühlen neuen Stiefmutter und deren
nervtötenden Töchtern Anastasia (Holliday Grainger, "Jane Eyre") und
Drisella (Sophie McShera, TV-Serie "Downton Abbey") leben. Doch als auch ihr
Vater stirbt und die verbleibende Familie in finanzielle Nöte gerät, wird der
braven Ella das Leben zur Hölle gemacht: Während Lady Tremaine und ihre Töchter
dem Nichtstun frönen, muß Ella nach der zwangsläufigen Entlassung sämtlicher
Bediensteten rund um die Uhr arbeiten und ihre undankbar-gehässigen
Stiefverwandten bedienen. Für einen Lichtblick sorgt nur die Begegnung mit
einem charmanten Fremden im Wald, der sich später als Prinz Charming (Richard
Madden, TV-Serie "Game of Thrones"), von seinen Freunden
nur "Kit" genannt, herausstellt. Der Kronprinz wird von seinem greisen Vater
(Sir Derek Jacobi, "Anonymus") und dem Großherzog (Stellan Skarsgård,
"King Arthur") dazu gedrängt, eine strategische und für das kleine Königreich
militärisch vorteilhafte Vernunftehe einzugehen – doch Kit setzt seinen Willen
durch, seine künftige Braut aus den Gästen eines Balls im Schloß auszusuchen,
zu dem auch alle jungen Damen des Königreichs eingeladen sind …
Kritik:
Disney hat seit einigen Jahren in Märchen respektive märchenhaften
Geschichten eine wahre Goldgrube entdeckt. Da man die meisten früher sowieso
schon als Zeichentrickfilme adaptiert hat, die sich (vor allem in Nordamerika)
größtenteils im Lauf der Jahrzehnte als Klassiker des Familienkinos etabliert
haben, steht sowieso reichlich Material zur Verfügung, aus dem man schöpfen kann.
Den Anfang der aktuellen Welle machte 2010 Tim Burtons 3D-Spektakel "Alice im Wunderland", das
– zu Beginn des globalen 3D-Hypes – trotz mauer Qualität über eine Milliarde
US-Dollar weltweit einspielte; es folgten Sam Raimis "Die fantastische Welt von Oz" und Robert Strombergs "Maleficent", die zwar
kommerziell nicht an den gigantischen "Alice im Wunderland"-Erfolg
heranreichten, aber dennoch ausgesprochen profitabel waren. Abgesehen vom
finanziellen Erfolg eint die drei Werke so einiges: Sie thematisieren die
zugrundeliegenden Geschichten ziemlich frei ("Die fantastische Welt von
Oz" ist ein Prequel zum "Zauberer von Oz",
"Maleficent" erzählt die Dornröschen-Story aus Sicht der bösen Fee),
setzen dabei primär auf visuelles Spektakel und zugkräftige Stars in den
Hauptrollen – und ernteten überwiegend mittelmäßige Kritiken. Das einzige, was
"Cinderella" mit seinen Vorläufern gemein hat, ist der Erfolg an den
Kinokassen. Davon abgesehen könnten die Filme nicht viel unterschiedlicher sein:
So hat "Cinderella"-Regisseur und Shakespeare-Experte Sir Kenneth Branagh
("Thor") bewußt auf eine 3D-Version verzichtet, er hat mit Cate
Blanchett nur einen Star besetzt (und das auch nur in einer Nebenrolle), er
hält sich eng an das vertraute Märchen vom Aschenputtel – und sein Film ist
richtig, richtig gut geworden!
Zugegeben, einigen Zuschauern und auch manchen Kritikern ist
Branaghs "Cinderella" sogar zu konventionell geraten. Das ist
eigentlich kein Wunder, denn wenn Hollywood sein Publikum über Jahre hinweg
dazu erzieht, von seinen Filmen immer mehr Spektakel und immer weniger
traditionelle Erzählkünste zu erwarten, dann diese Erwartungshaltung
mit einer unverhofften Rückkehr zu alten Tugenden schon mal enttäuscht werden. Und
wer sich von dieser neuen "Cinderella" frische Ansätze
erwartet – irgendetwas, das man noch nicht aus den unzähligen früheren Interpretationen des
vor allem bei Mädchen sehr beliebten Märchens kennt –, der wird zwangsläufig
enttäuscht werden. Zumal den meisten europäischen Zuschauern die einzige
nennenswerte inhaltliche Abweichung von Disneys Zeichentrick-"Aschenputtel"
aus dem Jahr 1950 bekannt vorkommen dürfte; denn daß Ella ihren
Traumprinzen bereits vor dem königlichen Ball zufällig im Wald trifft, das hat
schon der tschechoslowakische Weihnachts-Klassiker "Drei Haselnüsse für
Aschenbrödel" 1973 so gehandhabt. Nein, Sir Kenneth Branaghs
"Cinderella" ist nicht neu, nicht actionreich und auch nicht
spektakulär – abgesehen davon, daß der Film trotzdem oder gerade deshalb so gut
ist.
Manchmal ist die Besinnung auf den Kern einer Geschichte
eben doch eine richtig gute Idee, und die Konsequenz, mit der Branagh auf die
inhaltlichen und stilistischen Tendenzen der Märchen-Adaptionen der letzten
Jahre pfeift, ist schlicht bewundernswert. Seine "Cinderella"
bezaubert, weil sie eine simple Story erzählt, ohne sie großartig
auszuschmücken, aber dafür mit einer Hingabe und gefühlvollen Ernsthaftigkeit,
daß es eine wahre Freude ist. Entscheidend für das Gelingen des Films ist
natürlich auch die Besetzung. Cate Blanchett mag der einzige Star
sein und als böse Stiefmutter in der Tat eine hervorragende Leistung abliefern
(die ein wenig an ihre OSCAR-prämierte "Blue Jasmine"-Performance
erinnert), aber auch sie fügt sich nahtlos in ein perfekt zusammengestelltes
Ensemble ein, ohne sich jemals in den Vordergrund zu drängen. Getragen wird der Film
jedoch von der wunderbaren Hauptdarstellerin Lily James. Die bislang eigentlich
nur aus ihrer Nebenrolle im TV-Hit "Downton Abbey" bekannte junge Engländerin ist
nicht nur (auf eine erfrischend unaufdringliche Art und Weise) schön, sondern auch
sehr charmant, die beinahe naive Liebenswürdigkeit und Freundlichkeit der von
so vielen Schicksalsschlägen getroffenen Ella bringt sie perfekt zur Geltung,
ohne dabei unnatürlich oder gar nervend perfekt zu wirken. Man kann gut
nachvollziehen, daß Lady Tremaine dieses brave junge Mädchen als Konkurrentin
in mehrfacher Hinsicht betrachtet und sie deshalb klein halten will – somit sorgt
nicht nur Blanchetts Leistung dafür, daß diese Version der bösen Stiefmutter viel glaubwürdiger
rüberkommt als in den meisten anderen Aschenputtel-Adaptionen (in denen sie
eher wie eine Karikatur wirkt), sondern auch James' umwerfend gutherzige Ausstrahlung.
Dank Branaghs umsichtiger Inszenierung und des Drehbuchs von Chris Weitz
("Der goldene Kompaß") kommt übrigens auch der von Richard Madden charmant
verkörperte Prinz besser weg, als es sonst oft der Fall ist. Zwar hat der Prinz auch in dieser "Cinderella" nicht wirklich viel zu tun, aber Weitz gönnt ihm
genügend kleine, gut geschriebene Szenen, um ein eigenes Profil entwickeln zu
können und nicht einfach nur die Personifikation des Traumprinzen zu sein, der
in den Märchen selten mehr als eine reine Symbolfigur ist. Schlechter kommen
dagegen Ellas Stiefschwestern weg, die in der Tat kaum mehr als buchstäblich
lachhafte nervige Gören sind – vor allem bei der von mir sehr geschätzten
Holliday Grainger ist das eine ziemliche Verschwendung ihres Talents. Streng
genommen kann man das Gleiche über Helena Bonham Carter sagen, die nur einen
kurzen Auftritt als exzentrische gute Fee hat – allerdings bringt sie
ihre wenigen Szenen so leidenschaftlich und spielfreudig über die Bühne, daß
man sie dennoch gut in Erinnerung behält.
Ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor des Films ist neben der sorgsamen Inszenierung, der tollen
Besetzung und der gefühlvollen Figurenzeichnung die Optik. Zwar wartet
"Cinderella", wie erwähnt, nicht mit spektakulären Spezialeffekten
auf – selbst die Magie der guten Fee wirkt irgendwie "Retro", aber
auf eine sehr charmante Weise –, dafür hat man umso mehr Mühe in die Kostüme
und Kulissen gesteckt. Als typischer Mann interessiere ich mich nicht wirklich
für Mode und habe auch wenig Ahnung davon, doch selbst ich war beeindruckt von
der Schönheit der Kostüme und der Opulenz der Schauplätze. Das alles kulminiert
natürlich in der zentralen Ballszene im königlichen Schloß, und die ist
schlicht und ergreifend ein wahrer Augenschmaus – zudem höchst effektiv (und ein wenig an die Ballszene in Joe Wrights "Anna Karenina" erinnernd) in Szene
gesetzt von Regisseur Branagh, der im Zusammenspiel mit Kameramann Haris
Zambarloukos ("Jack Ryan: Shadow Recruit") und Komponist Patrick Doyle ("Planet der Affen: Prevolution") wirklich alles gibt, um dem Publikum eine traumhafte
Szenerie zu bieten. Das Resultat ist, wie der gesamte Film, pure Kinomagie.
Fazit: "Cinderella" ist seit langem wieder
einmal eine Märchenverfilmung, die es wagt, die vertraute Geschichte weitgehend
schnörkellos und im besten Sinne altmodisch zu erzählen – das funktioniert ganz wunderbar, was der inspirierten
Besetzung ebenso geschuldet ist wie den spektakulären Kostümen und Kulissen
sowie der gefühlvollen Inszenierung. Unter dem Strich die bislang schönste
Märchenverfilmung, die ich im Kino genießen durfte!
Wertung: 9 Punkte.
DIE EISKÖNIGIN – PARTY-FIEBER:
Als Vorfilm gibt es eine siebenminütige "Die
Eiskönigin"-Fortsetzung, in der Ella ihrer
kleinen Schwester Anna einen perfekten Geburtstag bereiten will, durch
eine aufziehende Erkältung – bei einer Eiskönigin keine ganz ungefährliche
Sache – aber einen Strich durch die Rechnung gemacht bekommt. Die vorhersehbare
Geschichte ist gewohnt charmant erzählt und wartet mit einem schönen neuen Song
auf. Abzüge gibt es jedoch für die deutsche Synchronfassung, die mit den
üblichen Problemen eingedeutscher Songs in Filmen aufwartet: Lippensynchronität
ist nur bedingt gegeben, die Reime sind teilweise hörbar erzwungen, außerdem
stört (mich) immer noch, daß die Hauptfiguren unterschiedliche Stimmen für Dialoge und Gesang haben. Davon abgesehen ist "Frozen Fever" jedoch
ein gelungener Vorfilm.
Wertung: 7 Punkte für die deutsche Fassung (die Originalfassung würde vermutlich 8 Punkte erhalten).
Wertung: 7 Punkte für die deutsche Fassung (die Originalfassung würde vermutlich 8 Punkte erhalten).
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