Donnerstag, 7. März 2013

Klassiker-Rezension: HUMORESKE (1946)

Originaltitel: Humoresque
Regie: Jean Negulesco, Drehbuch: Clifford Odets und Zachary Gold, Musik: Franz Waxman
Darsteller: John Garfield, Joan Crawford, Oscar Levant, Joan Chandler, Paul Cavanagh, Ruth Nelson, J. Carrol Naish, Tom D'Andrea, Peggy Knudsen, Craig Stevens, Fritz Leiber, Richard Gaines
Humoresque
(1946) on IMDb Rotten Tomatoes: 57% (5,8); FSK: 0, Dauer: 119 Minuten.
Paul Boray ist kein normaler Junge. Als sein Vater, der einen kleinen Laden besitzt, ihm zum Geburtstag in einer Art Gemischtwarengeschäft die freie Auswahl für sein Geschenk läßt, entscheidet Paul sich nicht etwa für ein Feuerwehrauto ("Das ist doch nur etwas für Kinder!") oder eine Baseball-Ausrüstung, sondern für eine teure Geige. Wenn die anderen Kinder auf der Straße spielen, übt Paul zuhause auf der Geige. Während sein Bruder Phil einige Jahre später inmitten der Weltwirtschaftskrise vergeblich versucht, eine Arbeit zu finden, verfeinert Paul (John Garfield, "Vater dirigiert") weiterhin seine Kunstfertigkeit am Instrument, auch wenn alle außer seiner Mutter das für Zeitverschwendung halten. Durch seinen älteren Freund Sid Jeffers (Oscar Levant), der sich seit langem als Pianist durchschlägt, ergattert er ein paar kleinere Jobs und kann sich so die Ausbildung am National Institute leisten. Doch eine erfolgreiche Karriere ist noch immer weit entfernt, schließlich haben die krisengeplagten Menschen in den USA besseres zu tun, als ihr Geld für einen unbekannten neuen Musiker auszugeben, und sei er auch noch so talentiert. Erst als Sid seinen Freund mit zu einer Party der nicht mehr ganz jungen, aber noch immer attraktiven Society-Lady Helen Wright (Joan Crawford, "Menschen im Hotel") nimmt, die dafür bekannt ist, sich als Kunstmäzenin zu betätigen, bekommt Paul die große Chance, der ganzen Welt sein Talent zu beweisen. Aber das Interesse der verheirateten Helen gilt nicht nur Pauls musikalischen Künsten ...

Kritik:
In der Filmgeschichte ist Oscar Levant nicht mehr als eine kleine Fußnote – allerdings eine ziemlich spannende. Der ausgebildete Musiker, erfolgreiche Komponist und Gershwin-Experte ist in gerade einmal zwölf Filmen als Schauspieler aufgetreten, doch in diesen zwölf Filmen hat er bleibenden Eindruck hinterlassen. Wobei "Schauspieler" vielleicht keine ganz korrekte Bezeichnung ist, denn stets hat Oscar Levant Musiker mit einem speziellen Sinn für Humor gespielt und somit letztlich eigentlich immer eine Variation seiner selbst. Begonnen hat seine Hollywood-Karriere Ende der 1920er Jahre als Filmkomponist, doch ab 1940 trat er auch regelmäßig vor der Kamera auf, u.a. neben Gene Kelly in "Ein Amerikaner in Paris", neben Bing Crosby in "Rhythm on the River", neben Doris Day in "Zaubernächte in Rio" sowie neben Fred Astaire in "Tänzer vom Broadway" und "Vorhang auf!". Auch wenn Levant in all diesen Filmen "nur" größere Nebenrollen spielte und seine Figuren sich alle sehr ähnelten, mit seinem frechen, aber liebenswürdigen Charme (seine Gags verfaßte er oft selbst) und seinem nicht eben schönen, aber markanten Gesicht blieb er in Erinnerung – und sobald sich das Multitalent ans Klavier oder ein anderes Instrument setzte, schien es, als gehöre der gesamte Film ihm.

In Jean Negulescos musikalischem Liebesdrama "Humoreske" bekommt Levant besonders viel Raum, um seine Kunstfertigkeit zu demonstrieren. Zwar spielt er natürlich auch hier nicht die Hauptrolle, aber da er Paul stets am Klavier begleitet, ist er eigentlich fast immer zu sehen oder zu hören – zumal er als Pauls bester Freund auch (vielleicht sogar etwas zu) ausgiebig sämtliche Geschehnisse mit trockenen Sprüchen kommentieren darf. Es spricht eindeutig für ihn, daß er neben den eigentlichen Hauptdarstellern, der OSCAR-Gewinnerin Joan Crawford und dem inoffiziellen Erfinder des "Method Acting" John Garfield mühelos seinen Mann steht.

Die Geschichte, die "Humoreske" erzählt, ist im Grunde genommen simpel: Ein junger Mann, ein musikalisches Genie, muß sich zwischen Liebe und Musik/Karriere entscheiden. Ganz im bewährten Stil der "Goldenen Ära" Hollywoods wird diese Story glamourös und melodramatisch dargebracht, was nach heutigen Sehgewohnheiten sicherlich mitunter etwas zu viel des Guten ist, seine emotionale Wirkung aber keinesfalls verfehlt. Joan Crawford legt im ersten Film nach ihrem OSCAR-Gewinn für "Solange ein Herz schlägt" sichtlich all ihre Leidenschaft in ihre wuchtige Performance und schrammt dabei manchmal nur haarscharf an der Grenze zum Overacting vorbei (wie sie später selbstkritisch eingestand), haut den Zuschauer aber dennoch regelrecht um. John Garfield wiederum spielt das, was er am besten konnte: einen zornigen jungen Mann, der vor unterdrückter Emotionalität kaum laufen kann und die Frauenherzen reihenweise bricht. Und wie er das in "Humoreske" tut, ist schlicht atemberaubend. Trotz des Altersunterschieds von immerhin sieben Jahren sprühen zwischen Garfield und Crawford nur so die Funken, was dazu führt, daß die Nebendarsteller (bis auf Levant) trotz guter Leistungen beinahe in der Bedeutungslosigkeit versinken. Dies erst recht, als sich das Drehbuch abseits der beiden zentralen Protagonisten gar nicht erst um vielschichtige Figuren kümmert. Was durchaus schade ist, denn Potential deuten einige der Charaktere an, allen voran Helens Ehemann Victor (Paul Cavanagh, "Sherlock Holmes: Das Haus des Schreckens"), der sie so sehr liebt, daß er ihr sogar von sich aus die Scheidung anbietet, damit sie ohne ihn glücklich werden kann.

Doch nicht allein als stürmischer Liebender beeindruckt Garfield, vielleicht noch erstaunlicher ist es, wie glaubhaft er den Geigenvirtuosen auf die Leinwand transportiert. Eingespielt wurden die ebenso zahlreichen wie langen Musikstücke von dem (später) legendären Violinisten Isaac Stern, doch Garfield übte monatelang, damit man ihm die Rolle auch wirklich abnahm. Mit Erfolg. An dieser Stelle sei angemerkt, daß angesichts der großen Bedeutung der Musik innerhalb dieser Geschichte mit Sicherheit eine gewisse Affinität für klassische Musik von Vorteil ist, um "Humoreske" maximal genießen zu können – doch sind die Einspielungen der Werke von Chopin, Gershwin oder Dvorák so mitreißend und zugleich so kunstvoll inszeniert und in die Handlung eingebettet, daß dies keineswegs zwingend nötig ist. Für die für den Film neu komponierte Musik erhielt der rechtzeitig aus Nazi-Deutschland emigrierte Franz Waxman (eigentlich: Wachsmann) eine OSCAR-Nominierung.

Fazit: "Humoreske" ist ein extrem musiklastiges Liebesdrama in bester melodramatischer Hollywood-Manier: mit zwei Stunden angesichts der kargen Story zwar ein wenig langatmig, aber grandios leidenschaftlich gespielt und mit sensationellen musikalischen Einlagen garniert.

Wertung: Knapp 8 Punkte.


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