Regie: Scott Derrickson, Drehbuch: Zach Dean, Musik: Trent Reznor und
Atticus Ross
Darsteller:
Miles Teller, Anya Taylor-Joy, Sigourney Weaver, Sope Dirisu, William
Houston, Kobna Holdbrook-Smith, Ruta Gedmintas
Seit
1946 ist es das vielleicht größte Geheimnis der Menschheit: eine
Schlucht irgendwo im Nirgendwo, aus der grausige Kreaturen die
Oberfläche erreichen wollen! Dieses "Tor zur Hölle" wird
seitdem bewacht von einem großangelegten automatischen Waffensystem,
auf das aus Geheimhaltungsgründen immer nur genau zwei Menschen
jeweils ein Jahr lang aufpassen und es warten – einer von einem
Turm auf der Westseite aus und einer von einem Turm aus der Ostseite
aus. Für die neueste Rotation auf dem Westturm wird der
Scharfschütze und Ex-Marine Levi Kane (Miles Teller, "Top Gun:
Maverick") von der geheimnisvollen Bartholomew (Sigourney
Weaver, "Alien") angeheuert, während im Ostturm die
litauische Scharfschützin Drasa (Anya Taylor-Joy, "The
Northman") ihren Dienst antritt. Obwohl Kontakt zwischen den beiden
Türmen streng verboten ist, kommunizieren sie schon bald via Tafel und
Fernglas miteinander und kommen sich immer näher, helfen einander
auch bei einem Ausbruchsversuch der Kreaturen aus der Schlucht. Doch
dann geschieht ein Unglück ...
Kritik:
Es
geschieht nicht oft, aber ab und zu wird man auch als Vielgucker
tatsächlich mal (positiv) überrascht. So erging es mir mit der
aufwendig produzierten Apple TV+-Produktion "The Gorge" von
Scott Derrickson ("Doctor Strange"). Die Kritiken fielen
sehr gemischt, wenn auch insgesamt leicht positiv aus und die
Prämisse klang ziemlich nichtssagend (um nicht zu spoilern, wie sich
herausstellt), weshalb sich meine Erwartungen trotz der guten
Besetzung in Grenzen hielten. Doch dann hat mich "The Gorge"
fast von Beginn an gepackt. Der Genremix aus Horror, Action, Romanze
und Survival-Thriller begeistert vor allem in der ersten Hälfte mit
einer wunderbaren Atmosphäre, zwei sympathischen und gut miteinander
harmonierenden Protagonisten und einer erfrischenden
Unberechenbarkeit. Bedauerlicherweise hält "The Gorge" das
hohe Niveau nicht ganz durch, was in erster Linie daran liegt, dass
er eine altbekannte und sehr bewährte Regel des Horrorkinos
ignoriert: Zeig' nie zu früh zu viel von deinen Monstern! In "The
Gorge" werden die schon beim ersten Angriff ziemlich deutlich
enthüllt und man kann sich dann bereits in etwa denken, was hinter
ihnen steckt (jedenfalls ging es mir so). Das nimmt dem Publikum
einen größeren Teil der Ungewißheit und damit auch der Anspannung
und führt dazu, dass die zweite Filmhälfte primär auf Action
setzt. Da diese ebenso wie die Kreaturen sehenswert inszeniert ist,
handelt es sich dabei jedoch um Kritik auf hohem Niveau und insgesamt
gibt es von mir eine klare Empfehlung für "The
Gorge".
Drehbuch-Autor
Zach Dean ("The Tomorrow War") und Regisseur Derrickson
lassen sich viel Zeit mit der Einführung ihrer beiden Hauptfiguren
und der neuen Routine bei ihrer ungewöhnlichen Aufgabe. Das zahlt
sich aus, denn obwohl zumindest Levi zunächst recht unnahbar
daherkommt, schließen wir ihn und die fröhliche Drasa schnell ins
Herz und schauen ihnen auch gerne bei ihrer zart aufblühenden
"Fern-Romanze" zu. Der Zyniker in uns hinterfragt derweil
möglicherweise, wie sinnvoll es ist, eine offenbar so gewaltige
Bedrohung für die Menschheit wie dieses "Tor zur Hölle"
nur von genau zwei Menschen bewachen zu lassen. Klar, sie sollen
letztlich nur die automatischen Waffen warten und deren Munition
auffüllen und dass Geheimhaltung ihren Vorgesetzten extrem wichtig
ist, erfahren die Zuschauer schon deutlich früher als Levi und
Drasa. Trotzdem wirkt es nicht ganz glaubwürdig, sich tatsächlich
auf zwei Personen zu beschränken, die ja auch krank werden oder
einen Unfall haben könnten (was bei nur einem regulären Funkkontakt
mit der Basis pro Monat unter Umständen lange nicht bemerkt würde).
Durch die Auflösung der Geschichte wird diese Kritik zwar etwas
relativiert, ich bleibe aber dabei, dass ein "Zwei Mann/Frau pro
Turm"-System das Minimum sein müßte. Doch dann würde
natürlich die Liebesgeschichte zwischen Levi und Drasa nicht so gut
funktionieren …
Zugegebenermaßen
wirkt der Übergang zwischen den einzelnen Genres innerhalb dieses
wilden Mischmaschs mitunter etwas holprig, aber das Ganze wird neben
den Hauptdarstellern vor allem durch Derricksons routinierte
Inszenierung zusammengehalten, die eine wunderbar schaurige,
offensichtlich (gerade in der latent beunruhigenden Farbgebung) vom
kosmischen Horror eines H.P. Lovecraft inspirierte Atmosphäre
erzeugt. Kongenial ergänzt wird das Geschehen durch den gewohnt
hochwertigen, in den Actionsequenzen unbarmherzig antreibenden
Soundtrack der OSCAR-Gewinner Trent Reznor und Atticus Ross ("The
Social Network"). Man muß sich "The Gorge" vorstellen
als eine Mischung aus "Aliens – Die Rückkehr", "The
Last of Us" und den "S.T.A.L.K.E.R."-Computerspielen,
nur eben kombiniert mit einer Liebesgeschichte. Das leicht eklige
Kreaturendesign überzeugt ebenfalls und wenngleich der Actionanteil
in der zweiten Filmhälfte mir persönlich zu hoch ist, gibt es
an der Umsetzung der Kampfszenen wenig zu bemängeln. Manchmal
verhalten sich die Kreaturen vielleicht nicht ganz in sich stimmig,
aber darüber kann man gnädig hinwegsehen – ebenso wie über die
etwas überstürzt und leicht antiklimaktisch wirkende finale
Konfrontation. Insgesamt ist "The Gorge", wie erwähnt,
eine positive Überraschung, weil er zwar viele bekannte Elemente aus
allen möglichen Richtungen kombiniert und nicht frei von Mängeln
ist – schade ist vor allem, daß man nicht allzu lange rätseln darf, worum es sich bei dem großen Geheimnis der Schlucht handelt –, dabei aber tatsächlich etwas erfrischend Neues und Unerwartetes
erschafft. Gerne mehr davon!
Fazit:
"The Gorge" ist eine wilde, von zwei exzellenten
Hauptdarstellern getragene Mischung aus Horror, Action, Romanze und
Survival-Thriller, die zwar in der zweiten Hälfte etwas schwächelt,
aber doch bis zum Schluß gut unterhält.
Wertung:
8 Punkte.
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