Originaltitel: Color Out of Space
Regie:
Richard Stanley, Drehbuch: Richard Stanley und Scarlett Amaris,
Musik: Colin Stetson
Darsteller:
Nicolas Cage, Joely Richardson, Madeleine Arthur, Brendan Meyer,
Julian Hilliard, Elliot Knight, Tommy Chong, Q'orianka Kilcher, Josh
C. Waller
FSK:
16, Dauer: 113 Minuten.
Nachdem
einer überstandenen Brustkrebserkrankung wagt Theresa Gardner (Joely Richardson, "Anonymus") mit ihrem Ehemann
Nathan (Nicolas Cage, "Kick-Ass") und ihren drei Kindern
Lavinia (Madeleine Arthur, "To All the Boys I've Loved Before"),
Benny (Brendan Meyer, "The Guest") und Jack (Julian
Hilliard, "Conjuring 3") einen Neuanfang mit einer
Alpaka-Farm in der beschaulichen Wildnis von New England. Mit der
Ruhe ist es jedoch vorbei, als eines Abends ein Meteorit direkt neben dem Brunnen der
Farm einschlägt und einen großen Krater hinterläßt. Allerdings
scheint es sich nicht um einen gewöhnlichen Meteoriten zu handeln,
denn erstens verschwindet er über Nacht scheinbar spurlos, zweitens
hat er eine Farbe, die es auf der Erde nicht gibt und drittens finden
die Gardners rasch heraus, dass er ungewöhnliche
Auswirkungen auf seine nähere Umwelt zeitigt. Zunächst sind
vor allem Pflanzen betroffen, doch die Gardners verändern sich ebenfalls immer
eindeutiger – zuerst mental, dann auch körperlich! Derweil stellt
der Hydrologe Ward Phillips (Elliot Knight, TV-Serie "Sindbad")
bei Untersuchungen fest, dass das Grundwasser der Gegend kontaminiert
ist und will der Sache auf den Grund gehen ...
Kritik:
Howard
Phillips Lovecraft ist mein absoluter Lieblings-Horrorschriftsteller.
Sein Talent, mit einer eher einfachen, bewußt gestelzten und
direkten Sprache ohne große Schnörkel eine unfaßbar dichte und
schauererregende Atmosphäre zu schaffen, ist ebenso unnachahmlich
wie seine häufig dem kosmischen
Horror zurechenbaren Kreationen – allen voran die "Großen
Alten" um den in Filmen, Serien, Büchern, Rollenspielen,
Comics und Videospielen oft zitierten Cthulhu. Mit seinen
Schauergeschichten inspirierte Lovecraft generell zahlreiche
Filmemacher, weshalb seit den 1960er Jahren Dutzende Filme auf
Grundlage seiner Werke erschienen. Da Lovecraft seine Wirkung aber vor allem
mit seiner Sprache erzielt und weniger mit kohärenten Storys, ist
eine angemessene Adaption gar nicht so einfach, viel schwerer als
beispielsweise bei Stephen King. Infolgedessen greifen etliche
Lovecraft-Verfilmungen eigentlich nur auf die Grundprämisse zurück
und interpretieren diese äußerst frei (und ignorieren den meist
beiläufigen, aber offenen Rassismus bei Lovecraft). Das führt
mitunter zu sehr sehenswerten Ergebnissen wie bei Stuart Gordons
kultiger "Re-Animator"-Reihe, aber es wird Lovecraft
nur bedingt gerecht. Besonders offensichtlich ist diese
Verfilmungs-Problematik bei meiner Lieblings-Lovecraft-Story "Die Farbe aus dem All"
– denn darin geht es nunmal um eine Farbe, die auf der Erde
nicht existiert, aber ihre nähere Umwelt stark verändert. Wie aber
soll man einen Film über eine Farbe drehen, die nicht existiert? Die
gelungene deutsche Low Budget-Adaption "Die Farbe" (2010)
von Huan Vu entschied sich zu einer recht originellen
Herangehensweise, indem der Film in Schwarzweiß gedreht wurde und
die einzige Farbe von, nunja, eben "der Farbe" ausging. Der
südafrikanische Filmemacher Richard Stanley ("Dust Devil"),
der sein Regie-Comeback nach 25
Jahren gibt, geht es etwas konventioneller an und hat einen Farbfilm
gedreht, in dem "die Farbe" trotzdem mit einem auffälligen
Purpur (ähnlich dem aus "Die Farbe") hervorsticht. Da es
Stanley zudem nach einem recht verhaltenen Auftakt gelingt, die
Spannungs- und Atmosphäreschraube immer weiter anzuziehen auf dem
Weg der Gardners in den Wahnsinn, ist "Die Farbe aus dem All"
letztlich eine sehr gelungene Lovecraft-Adaption geworden, die
allerdings – gemäß der Vorlage – etwas zu schräg sein dürfte,
um bei eher mainstreamig orientierten Horrorfans Begeisterung auszulösen.
Richard Stanley hält sich recht eng an Lovecrafts
Kurzgeschichte, ein paar Änderungen gibt es aber doch. So spielt
sein Film in der Gegenwart und aus einem der drei Gardner-Söhne ist
eine Tochter geworden. Zudem setzt Stanley auf eine chronlogische
Erzählweise, wohingegen bei Lovecraft ein namenlos bleibender
Landvermesser (dessen Entsprechung hier der Hydrologe Ward ist) die Geschichte
der Gardners rückblickend erzählt bekommt. Außerdem
geschieht im Film alles innerhalb weniger Tage anstatt innerhalb etwa
eines Jahres. Das ist angesichts der zeitlichen Begrenzung eines
Films naheliegend, hat aber naturgemäß zur Folge, dass die bei
Lovecraft schleichenden, zunächst noch harmlos oder gar positiv
erscheinenden Veränderungen (wie besonders schöne und große
Früchte, die sich später als allesamt verrottet herausstellen)
hier wesentlich schneller und eskalierender vonstattengehen und damit nicht immer gänzlich glaubwürdig wirken. Trotzdem: Im Kern
bleiben Richard Stanley und seine Koautorin Scarlett Amaris dicht an
der Vorlage und das ist eine gute Nachricht. Im ersten Akt hätte man
jedoch das Tempo ein wenig anziehen können, denn
wenngleich die recht ausführliche Vorstellung der fünf Gardners
angesichts der späteren Gräuel durchaus Wirkung erzielt, ziehen
sich die ersten 30 oder 40 Minuten doch etwas. An den Schauspielern
liegt das nicht, denn die liefern allesamt gute Leistungen ab, wobei
neben Cage speziell Madeleine Arthur als an heidnischen
Ritualen interessierte Teenagerin hervorsticht, auf deren Nachttisch das
"Necronomicon" liegt (ein von Lovecraft erfundenes dunkles
Zauberbuch, das auch durch seine prominente Rolle in der "Evil
Dead"-Reihe berühmt wurde). Und das Wiedersehen mit Brendan Meyer dürfte jeden Fan von Adam Wingards "The Guest" freuen, in dem er neben Maika Monroe und Dan Stevens eine der Hauptrollen spielte.
Nach
dem etwas zähen Auftakt nimmt "Die Farbe aus dem All"
rasant Fahrt auf, sobald die Farbe beginnt, immer deutlichere Effekte
rund um die Farm der Gardners zu entfalten. Dabei scheint sich die
Anfälligkeit der Lebewesen recht deutlich zu unterscheiden, bei den
Gardners offenbaren Lavinia und ihr Bruder Benny die wohl größte
Widerstandskraft. Und so müssen sie hilflos mitansehen, wie speziell
ihre Eltern immer stärker dem Wahnsinn zu verfallen scheinen und
auch darüber hinaus die Natur zunehmend verrückt spielt. Wie genau
das geschieht, läßt sich schwer in Worte fassen (außer, man ist H.
P. Lovecraft), aber man will ja sowieso nicht zu sehr spoilern. Daher nur
soviel: Stanley fängt den immer größeren Wahnsinn sehr effektiv
ein und bebildert ihn kunstvoll mit psychedelischen
Einstellungen und handgemachten Bodyhorror-Spezialeffekten á la
Cronenberg ("Die Fliege"), unterstützt von der
unauffällig-schaurigen Musik von Colin Stetson ("Hereditary").
Und selbstredend hat Richard Stanley eine so naheliegende wie geniale Wahl
getroffen, als er die Hauptrolle Nicolas Cage anvertraute. Es gibt seit Jahren kaum ein größeres Vergnügen für Filmfans, als Nicolas
Cage dabei zuzuschauen, wie er auf der Leinwand alle Hemmungen fallen läßt – und damit ist er geradezu prädestiniert für
die Rolle des eigentlich netten Familienvaters Nathan, der
von dieser vermaledeiten außerirdischen Farbe nach und nach in eine
ganz andere, vollkommen irre Person verwandelt wird! Stanley
ist auch dank Cage ein wahrer Trip gelungen, ein rauschhaftes, so
wunderschönes wie erschreckendes Kunst-B-Movie, das (zum Glück!)
nur wenig mit klassischen Horrorfilmen gemein hat.
Fazit:
"Die Farbe aus dem All" ist ein vor allem visuell
beeindruckender, langsam beginnender, dann jedoch ungebremst auf den schieren Wahnsinn zurasender Horrorfilm für aufgeschlossene
Genrefans.
Wertung:
8 Punkte.
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