Donnerstag, 10. Dezember 2015

OSCAR-News: Die Golden Globe-Nominierungen 2015/2016

Auch wenn die Jury aus vorwiegend nicht allzu bekannten Auslandsjournalisten gerne belächelt wird: Die Golden Globes sind und bleiben die zweitwichtigste Auszeichnung jedes Kinojahres. Und da sie etwa einen Monat vor den OSCARs stattfinden, sind sie stets ein guter Wegweiser dafür, wie der Wind steht. Das gilt wohl sogar noch mehr für die Nominierungen, auch wenn oder vielleicht gerade weil es eine große Besonderheit gibt: die Aufteilung in die Kategorien "Drama" und "Komödie/Musical". Die wirkt zwar mitunter ziemlich willkürlich ("Der Marsianer" ist also eine Komödie? Gut zu wissen ...), sorgt aber gerade in dem bei den Academy Awards oft unterrepräsentierten Komödien-Bereich dafür, daß würdige Filme Aufmerksamkeit erfahren, die ansonsten in der Awards Season unterzugehen drohten. Mal sehen, ob das auch dieses Jahr gelingt. Hier sind sämtliche Kino-Nominierungen mitsamt Kommentierung und Einordnung hinsichtlich der OSCARs.

Bestes Drama:
- Carol
- The Revenant
- Room
- Spotlight

Der Journalisten-Thriller "Spotlight" schafft es weiter, bei jeder Ehrung bzw. Nominierungsrunde von Rang vertreten zu sein. Das Gleiche gilt interessanterweise für das Low Budget-Drama "Room", das sich zunehmend als eine feste Größe im Rennen um einen Platz in der OSCAR-Königskategorie "Bester Film" etabliert. Diese Position sollte dem lesbischen 1950er Jahre-Beziehungsdrama "Carol" sowieso sicher sein, auch der Schneewestern "The Revenant" hat gute Chancen. Beim furiosen Endzeit-Spektakel "Mad Max: Fury Road" bleibt weiterhin unklar, wohin die Reise geht; daß er hier jedoch Tarantinos Western "The Hateful Eight" ausstechen konnte, ist bemerkenswert.
Als Sieger tippe ich auf "Spotlight" (immerhin ist es der Filmpreis der Auslandspresse), aber einen klaren Favoriten gibt es eigentlich nicht.

Beste Komödie/Musical:
- The Big Short
- Joy
- Spy
- Dating Queen

Die besten Chancen auf eine OSCAR-Nominierung hat aus diesem Quintett zweifellos Ridley Scotts Bestseller-Verfilmung "Der Marsianer". "The Big Short" und "Joy" sind nicht komplett aussichtslos, haben aber eigentlich zu gemischte Kritiken, um eine richtig große Rolle zu spielen. Und "Spy" und höchstwahrscheinlich auch "Trainwreck" werden trotz guter Kritiken keine Chance haben.
Der Sieg sollte an "Der Marsianer" gehen.

Bester Animationsfilm:
- Anomalisa
- Alles steht Kopf
- Die Peanuts
- Arlo & Spot

Die ersten vier Animationsfilme sollten auch bei den OSCARs vertreten sein, "Arlo & Spot" ist der Wackelkandidat, der z.B. von "Minions" verdrängt werden könnte.
Favorit ist hier "Alles steht Kopf" (ich drücke aber "Shaun das Schaf" die Daumen).

Bester nicht-englischsprachiger Film:
- Das brandneue Testament, Belgien
- El Club, Chile
- Die Kinder des Fechters, Finnland/Deutschland/Estland
- Mustang, Frankreich
- Son of Saul, Ungarn

"Son of Saul" und "Mustang" gelten als sichere OSCAR-Anwärter, "Das brandneue Testament" und "El Club" könnten ebenfalls nominiert werden. "Die Kinder des Fechters" ist dagegen eine große Überraschung; es fehlt der deutsche OSCAR-Kandidat "Im Labyrinth des Schweigens".
Großer Favorit ist "Son of Saul".


Regie:
- Todd Haynes, "Carol"
- Alejandro González Iñárritu, "The Revenant"
- Tom McCarthy, "Spotlight"
- George Miller, "Mad Max: Fury Road"
- Ridley Scott, "Der Marsianer"

Wie beim Besten Drama hat offenbar "Mad Max" Tarantinos "The Hateful Eight" den "Genre-Quotenplatz" abspenstig gemacht. Außerdem fehlt natürlich Steven Spielberg, dessen "Bridge of Spies" bei den OSCARs wohl nur eine Nebenrolle spielen wird.
Einen klaren Favoriten sehe ich nicht, mein Siegertip ist Tom McCarthy.

Drehbuch:
- Emma Donoghue, "Room"
- Tom McCarthy und Josh Singer, "Spotlight"
- Charles Randolph und Adam McKay, "The Big Short"
- Aaron Sorkin, "Steve Jobs"
- Quentin Tarantino, "The Hateful Eight"

Anders als bei den Darstellern gibt es in Sachen Drehbuch bei den Golden Globes nur halb so viele Nominierungen, da nicht zwischen adaptierten und Original-Drehbüchern unterschieden wird. Wenigstens hier kommt "The Hateful Eight" zum Zuge, etwas überraschend ist vielleicht die Nominierung für "Room" statt z.B. "Alles steht Kopf" oder "Bridge of Spies".
Auch hier sehe ich "Spotlight" als knappen Favoriten, gefolgt von Sorkins "Steve Jobs"-Skript.

Hauptdarstellerin, Drama:
- Cate Blanchett, "Carol"
- Brie Larson, "Room"
- Rooney Mara, "Carol"
- Saoirse Ronan, "Brooklyn"
- Alicia Vikander, "The Danish Girl"

Larson und Blanchett sind die großen OSCAR-Favoritinnen, was aber auch daran liegt, daß Mara und Vikander bei den Academy Awards vermutlich in die Nebendarstellerinnen-Kategorie gesteckt werden. Das versuchen jedenfalls die PR-Kampagnen zu erreichen, um die Chancen zu maximieren; und da die OSCAR-Juroren selbst bestimmen dürfen, ob sie jemanden als Haupt- oder Nebendarsteller wählen, wohingegen das bei den Golden Globes im Vorfeld von den Veranstaltern festgelegt wird, sollte es auch so kommen. Zwei Plätze wären also noch frei (die gestern bei den SAG Awards überraschend an Helen Mirren und Sarah Silverman gingen), was u.a. für Charlize Theron ("Mad Max"), Charlotte Rampling ("45 Years") und Carey Mulligan ("Suffragette") die Hoffnung aufrechterhält.
Favoritin ist Brie Larson.

Hauptdarsteller, Drama:
- Bryan Cranston, "Trumbo"
- Leonardo DiCaprio, "The Revenant"
- Michael Fassbender, "Steve Jobs"
- Eddie Redmayne, "The Danish Girl"
- Will Smith, "Concussion"

Die ersten vier wurden auch für den SAG Award nominiert und sind damit ganz heiße OSCAR-Kandidaten (was bei Cranston noch vor zwei Tagen nur wenige gedacht hätten), Smith ersetzt Johnny Depp ("Black Mass").
Favorit ist Leo DiCaprio.

Hauptdarstellerin, Komödie/Musical:
- Jennifer Lawrence, "Joy"
- Melissa McCarthy, "Spy"
- Amy Schumer, "Dating Queen"
- Maggie Smith, "The Lady in the Van"
- Lily Tomlin, "Grandma"

Die besten OSCAR-Chancen sollten Lawrence und Smith haben, vielleicht auch Tomlin.
Als Siegerin tippe ich auf Maggie Smith, aber es ist eine offene Kategorie.

Hauptdarsteller, Komödie/Musical:
- Christian Bale, "The Big Short"
- Steve Carell, "The Big Short"
- Matt Damon, "Der Marsianer"
- Al Pacino, "Danny Collins"
- Mark Ruffalo, "Infinitely Polar Bear"

Der einzige mit Chancen auf eine OSCAR-Nominierung als Hauptdarsteller ist Matt Damon, obwohl er bei den SAG Awards unerwartet übergangen wurde. Bale könnte als Nebendarsteller nominiert werden (wie bei den SAG Awards geschehen).
Matt Damon ist hier der klare Favorit.

Nebendarstellerin:
- Jane Fonda, "Ewige Jugend"
- Jennifer Jason Leigh, "The Hateful Eight"
- Helen Mirren, "Trumbo"
- Alicia Vikander, "Ex Machina"
- Kate Winslet, "Steve Jobs"

Leigh und Winslet sollten auch sicher bei den OSCARs dabei sein, Mirren nach dem SAG Award- und Golden Globe-Doppelschlag wohl ebenfalls. Altstar Fonda hat trotz lediglich zwei Szenen in Paolo Sorrentinos grandioser felliniesker Tragikomödie (meine ausführliche Kritik folgt voraussichtlich nächste Woche) auch Chancen, wenngleich ihre Kollegin Rachel Weisz im gleichen Film eigentlich eine noch stärkere Leistung bietet (und deshalb auch nicht chancenlos ist). Alicia Vikander ist hier die größte Überraschung, wenngleich die Nominierung absolut verdient ist. Bei den OSCARs wird sie mit dieser Rolle trotzdem kaum auftauchen, da sie dort vermutlich für "The Danish Girl" als Nebendarstellerin nominiert werden wird (und nicht, wie hier, als Hauptdarstellerin).
Die größten Siegchancen in dieser Kategorie sollte Jennifer Jason Leigh besitzen, auch wenn die Juroren offensichtlich "The Hateful Eight" nicht übermäßig mochten (denn es ist eine von nur drei Nominierungen).

Nebendarsteller:
- Paul Dano, "Love & Mercy"
- Idris Elba, "Beasts of No Nation"
- Mark Rylance, "Bridge of Spies"
- Michael Shannon, "99 Homes"
- Sylvester Stallone, "Creed"

Elba, Rylance und Shannon wurden bereits bei den SAG Awards nominiert und haben damit glänzende Chancen auf eine OSCAR-Nominierung. Dano und Stallone ersetzen im Vergleich zu den SAG Awards Christian Bale (der hier als Hauptdarsteller nominiert wurde) und den erst neun Jahre alten Jacob Tremblay ("Room"). Stallone sollte die besseren Aussichten bei den Academy Awards haben, der fünfte Platz ist umkämpft (auch Tom Hardy aus "The Revenant" und Michael Keaton aus "Spotlight" zählen zu den Kandidaten).
Als Favoriten sehe ich hier Elba und Stallone.

Filmmusik:
- Carter Burwell, "Carol"
- Alexandre Desplat, "The Danish Girl"
- Ennio Morricone, "The Hateful Eight" 
- Daniel Pemberton, "Steve Jobs"
- Ryuichi Sakamoto und Alva Noto, "The Revenant"

Die Musikkategorien sind bei den OSCARs immer unvorhersehbar, man kann aber auf jeden Fall davon ausgehen, daß dort John Williams' "Star Wars Episode VII"-Score auftauchen wird (der Film wurde den Golden Globe-Juroren wahrscheinlich nicht rechtzeitig gezeigt, um keine inhaltlichen Spoiler zu riskieren).
Mein Siegertip ist Ennio Morricone.

Filmsong:
-  "Love Me Like You Do", gesungen von Ellie Goulding, "Fifty Shades of Grey"
- "One Kind of Love" von Brian Wilson, "Love & Mercy"
- "See You Again", gesungen von Wiz Khalifa, "Fast & Furious 7"
- "Simple Song #3", gesungen von Sumi Jo, "Ewige Jugend"
- "Writing's on the Wall" von Sam Smith, "Spectre"

"Love Me Like You Do" und "One Kind of Love" werden wohl auch bei den OSCARs nominiert werden, bei den drei anderen bin ich weniger sicher. Wobei der grandiose "Simple Song #3" es aber wirklich sowas von verdient hätte!
Favorit ist für mich "One Kind of Love" von Beach Boys-Mastermind Brian Wilson.

Fazit:
"Spotlight" bleibt weiterhin die Konstante in dieser Awards Season, ohne jedoch so sehr zu glänzen wie das viele vermutet hatten. Vor allem in den Darsteller-Kategorien bleibt der Thriller überraschenderweise eher unbeachtet, was daran liegen könnte, daß er eine starke Ensemble-Leistung bietet und deshalb mehrere Schauspieler/-innen für die Juroren in Frage kommen, die sich unter Umständen am Ende gegenseitig aus dem Rennen werfen ... Solide zeigt sich auch ohne Drehbuch-Nominierung weiterhin "Carol", während Tarantinos "The Hateful Eight" trotz dreier Nennungen eine weitere kleine Enttäuschung hinnehmen muß. Insgesamt bleibt es aber dabei, daß das OSCAR-Rennen schon lange nicht mehr so spannend und offen war wie in dieser Saison. Es gibt keinen Überflieger, ja noch nicht einmal einen Zweikampf, sondern im Grunde genommen hat ein halbes Dutzend Filme reelle Chancen auf mehrere Goldjungen. Und mit "Star Wars Episode VII" gibt es immer noch eine Wildcard, deren OSCAR-Aussichten niemand wirklich einschätzen kann ...

Alle Nominierungen inklusive der TV-Kategorien (in denen es deutlich mehr Überraschungen und besonders viel Anerkennung für neue Serien gab) gibt es als PDF-Datei auf der Golden Globe-Homepage.

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