Regie:
Scott Cooper, Drehbuch: Mark Mallouk und Jez Butterworth, Musik: Tom Holkenborg
Darsteller:
Johnny Depp, Joel Edgerton, Benedict Cumberbatch, Rory Cochrane, Kevin Bacon, Jesse Plemons,
W. Earl Brown, Julianne Nicholson, David Harbour, Erica McDermott,
Dakota Johnson, Corey Stoll, Peter Sarsgaard, Juno Temple, Adam Scott, Bill Camp
FSK: 16, Dauer: 123 Minuten.
Boston, Mitte der 1970er Jahre: Die Lebenswege einiger
Kindheitsfreunde haben sich sehr unterschiedlich entwickelt – während es
William "Billy" Bulger (Benedict Cumberbatch, "The Imitation Game") zum Senator gebracht hat und John Connolly (Joel Edgerton,
"Der große Gatsby") zum FBI-Agenten, ist Billys älterer Bruder James
"Whitey" Bulger (Johnny Depp, "Lone Ranger") als Anführer
der "Winter Hill Gang" zu einem der führenden Gangster in Boston
geworden. Aufgrund ihrer gemeinsamen Vergangenheit läßt sich Whitey von John überreden, FBI-Informant zu werden; als Gegenleistung darf Whitey seinen
Geschäften relativ unbehelligt nachgehen, solange er es nicht übertreibt oder jemanden
tötet. Whitey legt den Deal jedoch stark zu seinen Gunsten aus und zieht John
und dessen Partner Morris (David Harbour, "Zeiten des Aufruhrs")
immer stärker in seine von Gewalt und Mißtrauen geprägte Welt
hinein. Mangels zählbarer Ergebnisse gerät John aber bei seinem Vorgesetzten Charles
McGuire (Kevin Bacon, "X-Men: Erste Entscheidung") zunehmend unter
Druck …
Kritik:
Nachdem Johnny Depp in den letzten Jahren einen
kommerziellen und qualitativen Mißerfolg an den nächsten gereiht hat und
überhaupt nur noch richtig in seiner Paraderolle als Captain Jack Sparrow in
der "Fluch der Karibik"-Reihe zu glänzen schien, demonstriert er in
Scott Coopers ("Crazy Heart") auf einer wahren Geschichte basierendem
Gangsterfilm endlich wieder, was er schauspielerisch alles drauf hat. Das ist
allerdings auch nötig, den ohne Depps Leistung wäre "Black Mass" ein eher unspektakulärer Film, der die Möglichkeiten der eigentlich unglaublichen Vorlage aus der Realität nur selten ausschöpft und damit deutlich
hinter Genreklassikern wie der "Der Pate"-Trilogie,
"Scarface" oder "Good Fellas" zurücksteht.
Eines der großen Probleme von "Black Mass"
offenbart sich ziemlich schnell: Die Geschichte beginnt noch sehr klassisch, indem Aufstieg und Fall Whitey Bulgers in Form von durch Zeugenaussagen
hervorgerufenen Rückblenden geschildert werden – eine altbekannte, aber absolut
bewährte Vorgehensweise bei Gangsterfilmen, die auch hier einwandfrei
funktioniert und für einen ungemein atmosphärischen Auftakt sorgt. Übrigens kommt in dieser Phase auch die stimmige Musik gut zum Tragen, die zeigt, daß Komponist Tom Holkenborg alias Junkie XL keineswegs nur Action-Scores á la "Mad Max: Fury Road" oder "300 – Rise of an Empire" beherrscht. Bedauerlicherweise
verwendet Cooper die puzzleartigen Rückblicke aber eher als Gimmick, das die Zuschauer gleich
zu Beginn einfangen soll; bereits nach wenigen Minuten gerät diese
Rahmenhandlung bis kurz vor Schluß fast komplett in den Hintergrund zugunsten
einer weitestgehend chronologisch linearen – und damit deutlich langweiligeren –
Erzählweise. Das an sich ist ja trotzdem noch kein großes Problem, solange das
Drehbuch nur gut genug ist. Genau das ist es aber leider nicht. Es ist
wohlgemerkt keineswegs schlecht, aber ziemlich mittelmäßig und ideenlos. Vor allem gibt es den durchgehend hervorragenden Schauspielern zu wenig, mit
dem sie arbeiten können.
Dabei gibt es immer wieder einmal Momente, in denen
aufblitzt, was mit dieser Geschichte und diesem Cast möglich gewesen wäre.
Eindrucksvoll beispielsweise eine Szene in der zweiten Filmhälfte zwischen
Whitey und Johns vom Vorgehen ihres Mannes nicht wirklich begeisterter Ehefrau Marianne
(Julianne Nicholson, "Im August in Osage County"), in der Depp – ohne
zu Gewalt zu greifen oder auch nur laut zu werden – mit nuancierter Mimik und
Gestik eine Bedrohlichkeit ausstrahlt, die ihresgleichen sucht, während Nicholson Mariannes Todesangst glaubwürdig rüberbringt. Während
das für Depp nur einer von vielen starken Momenten ist, könnte Nicholson
abseits dieser Szene auch komplett fehlen, ohne daß es irgendjemandem auffallen
würde. Und sie ist bei weitem nicht die einzige, der es so ergeht: Ob Kevin
Bacon als hochrangiger FBI-Mann, Corey Stoll ("Ant-Man") als hart
durchgreifender Staatsanwalt, Dakota Johnson ("Fifty Shades of Grey")
als Whites Ehefrau oder Peter Sarsgaard ("Green Lantern") als vorübergehender
Komplize der Winter Hall Gang … sie haben jeweils ziemlich genau eine starke Szene
und ansonsten wenig zu tun, auch von Figurenentwicklung kann hier nicht die
Rede sein. Selbst Benedict Cumberbatch ergeht es als Senator Bulger kaum besser, ebenso Whiteys
engsten Vertrauten innerhalb der Gang, Stephen Flemmi (Rory Cochrane,
"Oculus"), Johnny Martorano (W. Earl Brown, "Wild") und Kevin
Weeks (Jesse Plemons aus der TV-Serie "Breaking Bad"). Die einzigen
Charaktere, die dem Drehbuch tatsächlich am Herzen zu liegen scheinen, sind
Whitey Bulger und John Connolly.
Deren wechselvolle Beziehung zueinander immerhin ist sehr
überzeugend geraten. Natürlich kann Johnny Depp erwartungsgemäß am stärksten
brillieren, da seine Figur extrovertierter ist und einen erheblichen
charakterlichen Wandel durchläuft. Als Folge eines Schicksalsschlages wird er
immer brutaler, skrupelloser, paranoider und zugleich größenwahnsinniger, er
hält sich irgendwann für unantastbar und unbesiegbar. Depp porträtiert die
Entwicklung ausgezeichnet, die nicht ruckzuck geschieht, sondern sich in glaubwürdig schleichendem Tempo entfaltet. Dabei beeindrucken vor allem seine unheilvolle
Präsenz und die Intensität seiner buchstäblich humorlosen
Darstellung. Es bräuchte gar nicht die wenigen, aber unvermeidlichen, schnörkellos
inszenierten Gewaltsequenzen, um jedem Zuschauer das volle Ausmaß von Whitey Bulgers Gefährlichkeit und Unberechenbarkeit zu verdeutlichen. Aber neben
Depp beweist auch der Australier Joel Edgerton ein weiteres Mal sein großes
Können in der Rolle des ehrgeizigen FBI-Agenten, dessen eingangs (relativ) lautere
Absichten durch die alte Freundschaft mit den Bulgers ebenso kompromittiert werden
wie dadurch, daß er zunehmend Gefallen findet an den Annehmlichkeiten des
Gangsterlebens – die Whitey ihm immer wieder raffiniert vor die Nase hält wie
einem Esel die Karotte. John mag sich einreden, daß es zuvorderst er ist, der Whitey
instrumentalisiert; doch in Wirklichkeit ist er kaum mehr als eine Marionette
für den Gangster. Die Beziehung dieser beiden zentralen Charaktere und ihre
realistische Entwicklung ist ohne jeden Zweifel das Herz von "Black
Mass" und der Grund dafür, daß Coopers Film trotz seiner
Drehbuch-Schwächen positiv im Gedächtnis bleibt.
Fazit: "Black Mass" ist ein klassisch
aufgebauter Gangsterfilm, der vor allem in den beiden zentralen Rollen mit bemerkenswerten schauspielerischen Leistungen
auftrumpft, inhaltlich und inszenatorisch jedoch deutlich zu einfallslos geraten ist, um weit über gehobenes Mittelmaß hinauszukommen.
Wertung: 7 Punkte.
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