Originaltitel: Una giornata particolare
Regie:
Ettore Scola, Drehbuch: Ruggero Maccari und Ettore Scola, Musik: Armando
Trovaioli
Darsteller:
Sophia Loren, Marcello Mastroianni, Françoise Berd, John Vernon, Patrizia
Basso, Alessandra Mussolini
8. Mai 1938: Es ist ein besonderer Tag für Rom und ganz
Italien, denn der bewunderte Führer des wiedererstarkten Deutschen Reichs,
Adolf Hitler, ist auf Staatsbesuch beim König und bei seinem italienischen
Pendant, dem faschistischen Premierminister Benito Mussolini. Zu Hitlers Ehren
wird eine gigantische Militärparade abgehalten, an der so gut wie alle Römer
aktiv oder als Zuschauer teilnehmen wollen. So kommt es, daß in einem
Hochhaus nur drei Menschen zurückbleiben: Antonietta (Sophia Loren, "... und dennoch leben sie"), einfache Hausfrau und sechsfache Mutter, Gabriele (Marcello
Mastroianni, "Diebe haben's schwer"), ein gebildeter, unverheirateter Hörfunkmoderator, um dessen kürzliche Entlassung sich wilde Gerüchte ranken –
und die tratschende Hausmeisterin (Françoise Berd). Obwohl Antonietta und Gabriele im gleichen
Appartmentkomplex wohnen und sich gegenseitig in die Fenster sehen können, sind
sie sich nie begegnet. Dank Antoniettas entflogenem
Beo machen sie nun Bekanntschaft, und trotz ihres so unterschiedlichen
Hintergrunds, der speziell bei Antonietta eine gewisse Skepsis bedingt,
faszinieren sie sich gegenseitig. Gemeinsam verbringen sie den Tag,
diskutieren über Politik und Liebe und enthüllen schließlich gar intime
Geheimnisse, während im Hintergrund stets die patriotische Live-Übertragung von der Parade
im Radio läuft …
Kritik:
Eine der vornehmsten Aufgaben gesellschaftlich
interessierter Filmemacher ist es seit jeher, dunkle historische Epochen nicht
dem Vergessen oder gar der Verklärung anheimfallen zu lassen. Die Italiener
haben sich in dieser Hinsicht stets besonders aktiv gezeigt, denn die großen
Regisseure des Italienischen Neorealismus – Federico Fellini, Vittorio de Sica, Roberto
Rossellini – haben nach dem Zweiten Weltkrieg beharrlich ihre
Finger in die vom Faschismus verursachten Wunden der Gesellschaft gelegt; wenn
auch unglücklicherweise nicht mit dem gewünschten Erfolg, wie nicht nur die
politische Entwicklung Italiens in den letzten Jahrzehnten belegt. Ettore Scola
wird allgemein nicht zu den Neorealisten gezählt, doch sein wunderbares Kammerspiel
"Ein besonderer Tag" macht sich um die Erinnerung an die
Widerlichkeiten des Faschismus selbst vor Kriegsbeginn sehr verdient.
Dabei stellt Hitlers Staatsbesuch selbstredend nur den
Hintergrund dar für die sich zunächst behutsam, dann (dank des Tratsches der
Hausmeisterin) immer dramatischer entwickelnden Beziehung zwischen
Antonietta und Gabriele, die von zwei wahren Ikonen der italienischen Filmwelt äußerst
intensiv und authentisch verkörpert werden (Mastroianni erhielt sogar eine
OSCAR-Nominierung). Sie ist wie ihre gesamte Familie eine glühende
Mussolini-Verehrerin, hat gar ein Sammelalbum mit Zeitungsausschnitten
angelegt und aus Knöpfen ein Porträt des "Duce" gefertigt! Er sieht
sich das interessiert an und kommentiert es mit leichtem Sarkasmus, doch das
subversive Subjekt, als das ihn die Hausmeisterin diskreditiert, merkt man ihm
nicht an. Tatsächlich ist viel Wahres dran an seiner Aussage, daß eigentlich nicht er
gegen den Faschismus sei, sondern der Faschismus gegen ihn – denn er versuchte
wirklich alles, um den Anschein eines braven Faschisten und Parteigängers
vorzugaukeln. Daß das nicht seiner wahren Überzeugung entsprach, steht jedoch
natürlich außer Frage. Und so kommt es, daß Gabriele gar nicht so viel tun und
sagen muß, bis sich bereits erste Risse in Antoniettas Überzeugungen auftun, die
verdeutlichen, daß auch sie – vermutlich unterbewußt – stets eher geschauspielert
hat, um ihr als trost- und lieblos empfundenes Leben zu überspielen.
Der gesamte Film besteht aus den zwei zentralen Motiven
Politik und Liebe, die gleichermaßen zu fesseln wissen. Obwohl er unverheiratet
ist – und dafür übrigens eine Extra-Steuer zahlen muß! – und sie sechs Kinder
hat, sind in Wirklichkeit doch beide einsam. Und obwohl sie ungebildet ist und
sich von ihrem Mann herumkommandieren läßt, während er ein belesener
Intellektueller ist, sind sie sich letztlich auch in ihren politischen
Ansichten nicht so fern. Was die betrifft, kommt es übrigens wiederholt zu wunderbar schwarzhumorigen Dialogen, die die humanistische und zutiefst
antifaschistische Intention Scolas überdeutlich hervorheben. So meint
Antonietta beispielsweise, nachdem sie von der Hausmeisterin über Gabriele
"informiert" wurde, ein gebildeter Mann wie er könne gar kein Antifaschist
sein! Worauf die Hausmeisterin antwortet, das habe nichts zu sagen … sie
kenne einen notorischen Dieb, der nun stramm patriotischer und damit vorbildhafter Zugführer in der
Armee wäre. Bei solchen Szenen weiß man als Zuschauer mitunter nicht, ob man
lachen oder weinen soll – schließlich waren solche Überzeugungen damals ja in
der Tat und weißgott nicht nur in Italien weitverbreitet und haben den Zweiten
Weltkrieg erst ermöglicht. Ettore Scola hält genau deshalb allen Italienern den
Spiegel vor und erinnert sie an ihre Mitschuld und die ihrer Eltern und
Großeltern. Und das tut er so geschickt und nachdrücklich, daß man meinen
möchte, wer Filme wie "Ein besonderer Tag" gesehen hat, der könne doch
gar nicht anders als Faschismus, Nationalismus und die ganzen anderen unschönen
-ismen zu verurteilen. Daß das in der Realität nicht der Fall ist, zeigt ein
Kuriosum am Rande des Films: Eine von Antoniettas Töchtern wird von
Alessandra Mussolini gespielt, der damals 17-jährigen Enkelin des Duce
(und Nichte Sophia Lorens) – ebenjener Alessandra Mussolini, die als Erwachsene
ein hohes Tier in der neofaschistischen Partei MSI wurde und heute als Mitglied
der Berlusconi-Partei Forza Italia im Europäischen Parlament sitzt …
Doch das ist ja nicht Ettore Scolas Schuld, er hat mit
"Ein besonderer Tag" jedenfalls alles versucht und ganz nebenbei auch
noch ein formal beeindruckendes Werk geschaffen, das trotz der engen
Begrenzungen der an einem Tag in einem Gebäude spielenden Handlung ungeheuer
cineastisch wirkt – was neben Scolas Inszenierung und dem intelligenten
Drehbuch natürlich auch und ganz besonders dem wunderbaren Spiel der (wie so oft) bestens harmonierenden Sophia
Loren und Marcello Mastroianni zu verdanken ist – wobei man in Lorens Fall durchaus
hervorheben darf, wie uneitel die sonst so glamouröse Diva die emotional verbrauchte und
desillusionierte Hausfrau gibt.
Fazit: "Ein besonderer Tag" ist ein
besonderer Film – ein intimes und melancholisches, aber zutiefst humanistisches, dabei sehr dialogstarkes und hervorragend gespieltes Porträt zweier grundverschiedener Menschen am Vorabend des Zweiten Weltkrieges, die im Laufe
eines zusammen verbrachten Tages erkennen, daß sie doch mehr gemeinsam haben als
gedacht.
Wertung: 9 Punkte.
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