Donnerstag, 26. Februar 2015

INTO THE WOODS (2014)

Regie: Rob Marshall, Drehbuch: James Lapine, Songs: Stephen Sondheim
Darsteller: Emily Blunt, James Corden, Anna Kendrick, Meryl Streep, Lilla Crawford, Daniel Huttlestone, Chris Pine, Tracey Ullman, Johnny Depp, Mackenzie Mauzy, Billy Magnussen, Christine Baranski, Lucy Punch, Tammy Blanchard, Annette Crosbie, Frances de la Tour
Into the Woods
(2014) on IMDb Rotten Tomatoes: 71% (6,6); weltweites Einspielergebnis: $212,9 Mio.
FSK: 6, Dauer: 125 Minuten.

Eigentlich leben der Bäcker (James Corden, "One Chance") und seine schöne Frau (Emily Blunt, "Edge of Tomorrow") ein sehr zufriedenes Leben am Rande des Zauberwalds, nur eines fehlt ihnen zu ihrem Glück: ein Kind. Eines Tages erfahren sie, warum es einfach nicht klappen will: Ihre Nachbarin, die böse Hexe (Meryl Streep, "Glaubensfrage"), hat den Vater des Bäckers und all seine männlichen Nachfahren verflucht, nachdem der ihr einige Zauberbohnen stahl und sie damit (unwissentlich) ihrer Jugend und Schönheit beraubte. Damit die Hexe den Fluch wieder aufhebt, soll ihr der Bäcker innerhalb der nächsten zwei Tage vier Dinge bringen: eine schneeweiße Kuh, einen blutroten Umhang, maisgelbes Haar und Schuhe aus Gold. Da trifft es sich gut, daß sich im Zauberwald auch Cinderella (Anna Kendrick, "The Voices"), Rapunzel (MacKenzie Mauzy) und Rotkäppchen (Lilla Crawford) aufhalten sowie der junge Hans (Daniel Huttlestone, "Les Misérables"), der die alte, weiße Kuh seiner Mutter verkaufen soll …

Kritik:
Es kann kein Zweifel bestehen: Märchen sind seit einigen Jahren einfach wieder richtig "in" – und das in den verschiedensten Spielformen: klassisch ("Cinderella"), actionreich ("Snow White and the Huntsmen"), albern ("7 Zwerge", "Spieglein Spieglein"), sehr frei, aber phantasievoll neuinterpretiert ("Die Eiskönigin"), gruselig ("Snow White: A Tale of Terror", "Hänsel & Gretel – Hexenjäger"). "Into the Woods" erzählt im Grunde genommen eine recht klassische Version einiger Grimm'scher Märchen und reichert sie mit parodistischen Elementen an. Am Broadway funktioniert das schwarzhumorige Musical von Stephen Sondheim ("Sweeney Todd") bereits seit Jahrzehnten ausgezeichnet, nun gibt es die stargespickte Verfilmung vom genreerfahrenen Regisseur Rob Marshall, der bereits "Chicago" zum OSCAR für den besten Film des Jahres 2002 führte. Die Kritiken der Filmversion sind allerdings eher gemischt ausgefallen (wenngleich insgesamt leicht auf der positiven Seite), und ich muß leider sagen, daß ich mich zu jenen zähle, die nur mäßig begeistert sind.

Zum Teil liegt das sicherlich daran, daß ich offenbar generell nicht übermäßig viel mit den unkonventionellen Kompositionen Sondheims anfangen kann, schließlich war ich schon von der Kinoadaption seines wohl berühmtesten Musicals "Sweeney Todd" eher enttäuscht. "Into the Woods" hat zwar ein paar Songs zu bieten, die mir gut gefallen, an meine Genrefavoriten wie "Les Misérables", "Moulin Rouge", "Cabaret", "Fiddler on the Roof" oder "Chicago" reichen sie insgesamt aber bei weitem nicht heran. Nun ist es wirklich nicht so, daß ich zu Hause nur Mainstream-Pop hören würde – aber Sondheims Lieder sind mir oft doch etwas zu … speziell. Ein ebenso gewichtiges Problem ist, daß die Handlung meine Erwartungen nicht erfüllen kann. Für eine parodistische Abwandlung der altbekannten Märchen gibt es für meinen Geschmack einfach zu wenig Humor; natürlich sind ein paar schöne Szenen enthalten, etwa das herrliche Duett "Agony", in dem Prince Charming (Chris Pine, "Star Trek Into Darkness") und sein in Rapunzel verliebter Bruder (Billy Magnussen) sich gegenseitig mit der Monumentalität ihres Liebesleids zu übertrumpfen suchen; aber im Großen und Ganzen kommt mir "Into the Woods" zu zahm daher.

Zumindest gilt das für die erste Hälfte, die zusätzlich darunter leidet, daß ganze vier Märchen (Aschenputtel, Rotkäppchen, Hans und die Bohnenranke sowie Rapunzel) in gerade einmal etwa 45 Minuten hineingestopft werden, wodurch zwangsläufig viel Charme der Geschichten verlorengeht; auch wenn Johnny Depps ("Lone Ranger") Gastauftritt als pädophil veranlagter böser Wolf schon seinen Reiz hat. Erst in der zweiten Hälfte emanzipiert sich "Into the Woods" von den Märchenvorlagen, indem es zeigt oder zumindest andeutet, was nach dem "… und dann lebten sie glücklich bis ans Ende ihrer Tage" tatsächlich passiert und zudem noch die Rachebestrebungen einer über eine Zauberbohnenranke herabgestiegenen Riesin (Frances de la Tour, "Hugo Cabret") ins Spiel bringt. In dieser Phase wird die Story vorübergehend ziemlich interessant; allerdings auch nicht mehr, da das erzählerische Potential dieses Kniffes nicht ansatzweise ausgereizt wird und außerdem einige der zahlreichen Songs unnötig das Tempo herausnehmen, sobald es gerade einmal halbwegs spannend wird. Für ein Musical ist das eigentlich der Todesstoß, wenn man ausgerechnet die Lieder als störend empfindet …

Aber zum Glück gibt es ja noch Meryl Streep. Die erhielt für ihre Darstellung der bösen Hexe ihre bereits 19. OSCAR-Nominierung, die wie so oft vollkommen gerechtfertigt ist. Obwohl die Hexe eher eine Nebenfigur ist und gar nicht so viele Auftritte in den zwei Stunden hat, ist jede einzelne Szene mit ihr ein Highlight. In Streeps Interpretation ist die Hexe nicht wirklich böse, sondern eher eine aufbrausende Frau, die mächtig einen an der Waffel hat. In Verbindung mit ihrem stets unerwarteten Auftauchen quasi aus dem Nichts macht diese Figur einfach richtig, richtig viel Spaß – gerade im Vergleich zu den eher zahmen übrigen Charakteren. Und auch Streeps Liedvortrag weiß zu überzeugen. Sie hat ohnehin das Glück, daß sie den besten Song des Musicals vortragen darf ("The Last Midnight") – und obwohl ihr Gesangstalent nicht an das einiger ihrer Leinwandpartner heranreicht, macht sie diese leichten Defizite durch einen umso leidenschaftlicheren Vortrag mehr als wett. Kurzum: Meryl Streep ist – wieder einmal – eine Wucht! Für die gesangstechnischen Highlights sorgen derweil vor allem Anna Kendrick und James Corden. Das kommt nicht überraschend, schließlich stahl Kendrick schon als 12-jährige am Broadway ihren Mitstreitern die Show, während der Brite Corden als Darsteller des "Britain's Got Talent"-Opernsängers Paul Potts in "One Chance" internationale Bekanntheit erlangte. Schauspielerisch ist "Into the Woods" derweil insgesamt nicht allzu anspruchsvoll, aber das große Ensemble hinterläßt einen harmonischen Eindruck, die beiden Hauptdarsteller Corden und Emily Blunt kommen sympathisch rüber und Lilla Crawford ist als vorlautes Rotkäppchen in ihrem Kinodebüt eine echte Entdeckung.

Abschließend möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen, daß ich diesen Film trotz seiner FSK6-Freigabe Kindern unter 10 Jahren nur sehr bedingt empfehlen würde. Denn abgesehen davon, daß (wie ich in der Vorstellung, die ich besucht habe, aus erster Hand erfahren durfte) kleine Kinder wohl generell nicht allzu empfänglich sind für ein Musical mit englischen Songs und deutschen Untertiteln, behält "Into the Woods" einige der beträchtlichen Grausamkeiten aus den ursprünglichen Märchen-Fassungen bei. Wenn beispielsweise Cinderellas Stiefmutter (Christine Baranski aus der TV-Serie "Good Wife") wirklich alles versucht, um die Füße ihrer leiblichen Töchter in den vom Prinzen gebrachten Schuh zu zwängen, dann wird das zwar natürlich nicht direkt auf der Leinwand gezeigt, ist aber im Kern dennoch ziemlich heftig. Und den (wenngleich ebenfalls nur angedeutet) pädophilen Wolf hatte ich ja bereits erwähnt …

Fazit: "Into the Woods" ist eine ziemlich schräge Musical-Adaption, die aus der durchaus spannenden Prämisse des parodistischen Märchen-Mixes inhaltlich viel zu wenig herausholt und mit seinen anspruchsvoll aufgebauten, aber nicht übermäßig massentauglichen Songs das Publikum polarisieren dürfte – immerhin sorgt die gute Besetzung rund um eine überragende Meryl Streep für gelegentliche Highlights.

Wertung: 5 Punkte.


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