Freitag, 28. Juni 2013

WORLD WAR Z (3D, 2013)

Regie: Marc Forster, Drehbuch: Matthew Michael Carnahan, Drew Goddard, Damon Lindelof, Musik: Marco Beltrami und Muse
Darsteller: Brad Pitt, Mireille Enos, Daniella Kertesz, Fana Mokoena, James Badge Dale, David Morse, David Andrews, Ludi Boeken, Moritz Bleibtreu, Pierfrancesco Favino, Peter Capaldi, Ruth Negga, Matthew Fox, Elyes Gabel, Abigail Hargrove, Sterling Jerins, Fabrizio Zacharee Guidoas, Ernesto Cantu
World War Z
(2013) on IMDb Rotten Tomatoes: 67% (6,3); weltweites Einspielergebnis: $540,5 Mio.
FSK: 16, Dauer: 116 Minuten.

Gerry Lane (Brad Pitt, "Moneyball") ist ein früherer UNO-Experte für brisante Situationen, hat sich inzwischen jedoch zurückgezogen und ist hauptberuflicher Ehemann und Vater. Zumindest solange, bis sein Wohnort Philadelphia von Zombies überrannt wird. Thierry (Fana Mokoena, "Hotel Ruanda"), der mit Gerry befreundete stellvertrende Generalsekretär der UNO, läßt die Familie Lane am nächsten Morgen in letzter Sekunde mit einem Helikopter abholen und auf einen Flugzeugträger in Sicherheit bringen, der als neue Basis der Vereinten Nationen dient. Thierrys Rettungsaktion geschah jedoch nicht aus reiner Gutherzigkeit, vielmehr benötigt er dringend Gerrys Dienste. Denn in der Zwischenzeit wurde die halbe Welt von der mysteriösen Zombie-Epidemie (die anfangs für einen ordinären Tollwut-Ausbruch gehalten wurde) entvölkert. Gerry soll deshalb nun eine Eingreiftruppe anführen, die dem in Asien vermuteten Ursprung des Schlamassels auf den Grund gehen soll – in der verzweifelten Hoffnung, auf diese Weise doch noch ein Heilmittel zu finden ...

Kritik:
"'World War Z' ist ein Desaster." Nein, keine Sorge, das ist zum Glück nicht meine Beurteilung des neuen Films von Marc Forster. Aber dieser kurze Satz faßt perfekt die auf den großen Internet-Filmseiten und vor allem in den dortigen Kommentaren seit vielen Monaten verbreitete Erwartungshaltung zusammen. In der Tat sprach angesichts seiner ausgesprochen holprigen Produktionsgeschichte sehr wenig dafür, daß "World War Z" auch nur ein mittelmäßiger Film werden könnte. Angeblich waren Regisseur Forster und sein Hauptdarsteller und Co-Produzent Brad Pitt irgendwann so zerstritten, daß sie nicht einmal mehr miteinander redeten. Fans der Buchvorlage von Max Brooks (eine Mischung aus Sammlung fiktiver Augenzeugenberichte und Überlebensratgeber, deutscher Titel: "Operation Zombie: Wer länger lebt, ist später tot") protestierten lautstark, da spätestens nach dem ersten Trailer überdeutlich wurde, daß der Film kaum noch etwas mit dem (sowieso kaum verfilmbar erscheinenden) Ausgangsmaterial zu tun haben würde. Am Set in Budapest wurde ein Lagerhaus der Filmproduktion von einer Antiterror-Einheit gestürmt, weil dorthin (warum auch immer) echte, funktionsfähige Schußwaffen geliefert worden waren. Kurzfristige Drehbuch-Änderungen und in der Folge massive und entsprechend teure Nachdrehs für den letzten Akt wurden angeordnet (das ursprünglich veranschlagte Budget von $125 Mio. wuchs letztlich auf fast $200 Mio. an), an denen der angeblich entmachtete Forster gar nicht mehr beteiligt gewesen sein soll. Und zu guter Letzt wurde der Film auch noch so zurechtgeschnitten, daß er in den USA die kommerziell lukrative, da familientaugliche Altersfreigabe PG-13 erhielt. Wie gesagt, es schien eindeutig: "World War Z" konnte nur noch ein Desaster werden. Wurde er aber nicht. Marc Forsters Film ist bei weitem kein Meisterwerk des Subgenres der Zombiefilme geworden, aber er liefert grundsolide Actionunterhaltung mit einem starken Hauptdarsteller ab.

Was genau von den unzähligen Horrormeldungen rund um die Produktion nun stimmte, wird die Öffentlichkeit wohl nie erfahren. Glaubt man Forster und Pitt – die zumindest bei öffentlichen Auftritten keine Anzeichen eines echten Zerwürfnisses erkennen lassen –, dann ist das meiste Humbug. Gut, die Sache mit der Razzia in Ungarn ist Fakt, hat aber nur sehr wenig mit der Filmproduktion selbst zu tun. Auch die teuren Nachdrehs lassen sich nicht leugnen, allerdings spricht viel dafür, daß Marc Forster nicht nur sehr wohl daran beteiligt, sondern vielmehr sogar eine treibende Kraft war. Denn der fertige Film, laut Forster sein "Director's Cut", entspricht erkennbar dem Stil des eigentlichen Arthouse-Regisseurs ("Monster's Ball", "Drachenläufer"), der in Deutschland geboren wurde und in der Schweiz aufwuchs. Und auch die Ähnlichkeiten zu Forsters erstem Big Budget-Versuch, dem James Bond-Abenteuer "Ein Quantum Trost", sind unverkennbar. Leider, denn bekanntlich ist "Ein Quantum Trost" nicht gerade ein Highlight der Bond-Reihe. Das richtige Gespür für spezialeffektlastige Großproduktionen scheint Forster noch immer nicht ganz gefunden zu haben, denn wie bereits "Ein Quantum Trost" leidet auch "World War Z" unter einem unebenen Erzähltempo und einem nur mittelmäßig ausbalancierten Spannungsbogen.

Aber der Reihe nach: Der Auftakt von "World War Z" läßt sich getrost als Komplementär zu Danny Boyles Genreklassiker "28 Days Later" verstehen. Während dessen Protagonist Jim im Koma liegt, als Großbritannien zugrunde geht, und erst wieder erwacht, als er beinahe der letzte Überlebende auf einer zerstörten Insel ist, zeigt Forsters Film, was geschieht, als die Zombieepidemie ausbricht. Nur eben in den USA statt in England. Und diesen Anfang vom Ende präsentiert "World War Z" handwerklich wie auch inszenatorisch sehr überzeugend. Denn als die sich aufgrund der minimalen Inkubationszeit (derentwegen anfangs nicht einmal klar ist, ob die Infizierten tatsächlich untot oder nicht doch einfach "nur" tollwütig sind) rasend schnell ausbreitende Welle von lebenden Toten über das im morgendlichen Berufsverkehr steckende Philadelphia hereinbricht, werden die unvermeidliche Panik und das Chaos sehr glaubwürdig – teilweise auch mithilfe von Handkamera-Aufnahmen – auf die Leinwand übertragen. Gerry Lane fungiert dabei dank Brad Pitts überzeugender Darstellungskunst von Anfang an als die klare Identifikationsfigur für das Publikum; er ist kein Actionheld, sondern ein aufrechter, intelligenter und charismatischer Mann, der mit allen Mitteln um das Wohl seiner Familie und später sogar der verbliebenen Menschheit kämpft.

An dieser Stelle ein kleiner Einschub: Die Frage "langsamer oder schneller Zombie?" ist ja ein fortwährendes Streitthema unter Horrorfans, seit "Man of Steel"-Regisseur Zack Snyder 2004 in seinem "Dawn of the Dead"-Remake rennende Zombies etablierte. Mir persönlich ist das relativ egal, da beide Varianten bei einer stimmigen Inszenierung wunderbar funktionieren können. Die langsamen, schlurfenden Untoten á la George A. Romeros "Die Nacht der lebenden Toten" (1968) stehen generell eher für eine klassische Gruselstimmung, wohingegen die rennenden Zombies eine panische Terroratmosphäre kreieren. In "World War Z" gibt es (übrigens entgegen der Buchvorlage) die schnelle Version. Das dürften Traditionalisten übel aufstoßen, paßt in dem unzweideutig actionorientierten Kontext dieser Verfilmung aber gut. Wie ein echter Zombiefilm wirkt "World War Z" sowieso nur selten, eher wie eine Actionvariante von Steven Soderberghs "Contagion". Ende des Einschubs.

Nach diesem frühen, beklemmenden Actionhighlight zerfasert die Dramaturgie zusehends. Der Kapitän des Flugzeugträgers (David Andrews, "Fight Club") schickt Gerry auf der Suche nach einem Heilmittel gegen den Zombievirus auf eine Schnitzeljagd rund um die Welt, die zwar stets unterhaltsam ist, aber nicht wie aus einem Guß wirkt. Für sich genommen kann man alle Einzelteile des Films als sehr gelungen bezeichnen, abgesehen von manchmal etwas zu offensichtlich computergenerierten Zombiemassen gibt es wenig Grund zur Klage. Doch im Zusammenspiel funktioniert die Schnitzeljagd nicht so richtig. Die Zombieattacken wiederholen sich zu oft, die durch die ständigen Schauplatzwechsel sowieso fast ausnahmslos nur kurz zu sehenden Nebenfiguren bleiben größtenteils fremd, und bei all den rasanten Actionsequenzen kommt Gerrys eigentliches Ziel das Finden eines Heilmittels zu kurz. Außerdem verhält sich Gerry für einen in Krisensituationen erklärtermaßen gestählten Mann seines Formats wiederholt bemerkenswert dämlich. Das zieht mitunter sehr heftige Konsequenzen für seine Mitstreiter nach sich, die aber nach den entsprechenden Szenen unrealistischerweise sofort wieder vergessen zu sein scheinen.

Erst im letzten Drittel, das in einer Forschungseinrichtung der Weltgesundheitsorganisation spielt (einer der Ärzte wird vom deutschen Kinostar Moritz Bleibtreu verkörpert), variiert Forster das Erzähltempo deutlich und präsentiert eine ebenso ausgedehnte wie spannende Grusel-einlage. Das ist übrigens den teuren Nachdrehs zu verdanken, denn ursprünglich sollte "World War Z" mit noch einer weiteren (bereits abgedrehten) spektakulären, auf dem Roten Platz in Moskau spielenden Actionsequenz enden. Die stattdessen gewählte Alternative ist eine höchst willkommene Abwechslung, wenn auch vielleicht nicht ganz glücklich plaziert. Die Anordnung "Action, Action, Grusel, Action" anstelle von "Action, Action, Action, Grusel" hätte wohl noch besser funktioniert, denn so endet "World War Z" ziemlich antiklimaktisch und unerwartet. Aber besser als die eigentlich geplante "Action, Action, Action, Action"-Variante ist es allemal.

Schauspielerisch wird "World War Z" erwartungsgemäß von Brad Pitt dominiert – kein Wunder, er ist ja auch fast der einzige, der länger als für ein paar Minuten zu sehen ist. Aber er trägt den gesamten Film problemlos und demonstriert zweifellos einmal mehr, warum er ein echter Hollywoodstar ist. Unter den Nebendarstellern – darunter in Minirollen David Morse ("The Green Mile"), James Badge Dale ("The Grey") und "Lost"-Star Matthew Fox – hinterlassen einzig Mireille Enos (TV-Serie "The Killing") als Gerrys Ehefrau und Daniella Kertesz als israelische Soldatin, die Gerry in der zweiten Filmhälfte begleitet, bleibenden Eindruck.

In technischer Hinsicht liefert "World War Z" eine sehr solide Leistung ab. Wie erwähnt ist der CGI-Einsatz manchmal gar zu offensichtlich, zudem hätte der Schnitt etwas weniger hektisch ausfallen dürfen. Wobei letzteres zumindest teilweise auch den Änderungen für die niedrigere US-Altersfreigabe geschuldet sein dürfte. Der Actionscore von Marco Beltrami ("Die Frau in Schwarz"), der durch einige Kompositionen der englischen Rockband Muse ergänzt wird, weiß dafür durchgehend zu gefallen. Die nachträgliche 3D-Konvertierung hingegen ist keine Zierde ihrer Zunft. Im Allgemeinen wirkt die Dreidimensionalität schlicht überflüssig, bei vielen Szenen bräuchte man die 3D-Brille nicht einmal (ich habe es überprüft); dazu kommen einige ärgerliche Unschärfeeffekte, die Kombination aus Wackelkamera und 3D ist für die Übersichtlichkeit auch nicht gerade ideal. Ich empfehle daher die 2D-Variante.

Fazit: "World War Z" ist ein grundsolider Actionfilm mit leichtem Horroreinschlag, der mit einem souverän auftrumpfenden Hauptdarsteller Brad Pitt ebenso punktet wie mit seinem hohen Erzähltempo, den ständigen Schauplatzwechseln rund um die Welt sowie zahlreichen rasanten Actionsequenzen; das geht allerdings zulasten von Handlung und Figurenzeichnung, außerdem ist die Dramaturgie recht unausgewogen.

Wertung: 7 Punkte.


4 Kommentare:

  1. Da ich die Vorlage recht interessant fand, lassen die meisten Kritiken das Schlimmste befürchten. Deine lässt wenigstens noch ein wenig Raum für Hoffnung. Irgendwann schaue ich den dann wohl doch einmal... befürchte ich...

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  2. Die professionellen Kritiken sind insgesamt ja eigentlich erstaunlich positiv ausgefallen - aber vermutlich stammen die größtenteils von Rezensenten, die das Buch nicht gelesen haben (genau wie ich, auch wenn ich den Kauf in Erwägung gezogen habe, als es in Deutschland erschien). Für Kenner der Vorlage dürfte das Aufreger-Potential sicherlich deutlich größer sein ...

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  3. Also im Bereich Mainstreamkino mit dieser Thematik gibt es schlechtere, viel schlechtere Filme.
    Ich fand den Film gut und auch interessant. Er unterhält und ist sein Eintrittsgeld wert. Er hat genügende spannende Momente und Brad Pitt ist nicht" der Superheld" der plötzlich die Welt rettet.
    Ist denn das heutige Kinopuplikum so satt, das man gute Sachen( dieser Film) nicht einfach als das betrachten kann, was er ist: ein unterhaltsamer Film über Pademie-Zustände im Actiongewand.

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    1. Tut es doch (zumindest ein Großteil) - sowohl in den USA als auch in Deutschland und den meisten anderen Ländern läuft "World War Z" viel erfolgreicher als das noch vor wenigen Monaten erwartet worden war, die Zufriedenheitswerte der Zuschauer sind im Durchschnitt auch sehr ordentlich ...

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