Freitag, 17. Mai 2013

EVIL DEAD (2013)

Regie: Fede Alvarez, Drehbuch: Rodo Sayagues und Fede Alvarez, Musik: Roque Baños
Darsteller: Jane Levy, Lou Taylor Pucci, Shiloh Fernandez, Jessica Lucas, Phoenix Connolly, Elizabeth Blackmore, Sian Davis, Jim McLarty, Lorenzo Lamas
Evil Dead
(2013) on IMDb Rotten Tomatoes: 63% (6,1); weltweites Einspielergebnis: $97,5 Mio.
FSK: 18, Dauer: 91 Minuten.

Mia (Jane Levy, TV-Sitcom "Suburgatory") ist drogensüchtig und war nach einer Überdosis bereits kurzzeitig klinisch tot. Sie beschließt, in einer abgelegenen Waldhütte in Familienbesitz einen kalten Entzug durchzuführen. Unterstützen, aber auch vom vorzeitigen Abbruch abhalten sollen sie dabei ihre Freunde Eric (Lou Taylor Pucci, "Carriers") und Olivia (Jessica Lucas) sowie ihr älterer Bruder David (Shiloh Fernandez, "Red Riding Hood") und dessen Freundin Natalie (Elizabeth Blackmore). Wie sich bei der Ankunft herausstellt, wurde allerdings offenbar in die Hütte eingebrochen, im Keller finden die Mittzwanziger die Überreste irgendeines ekligen Rituals, das dort offensichtlich durchgeführt wurde – darunter auch ein mysteriöses Buch. Eric, ein wißbegieriger Highschool-Lehrer, untersucht das in einer uralten Sprache geschriebene, von einem Unbekannten aber fragmentarisch übersetzte Buch näher und stößt beim Durchblättern auf einige geheimnisvolle Worte, die er trotz einer eindringlichen handgeschriebenen Warnung laut vorliest. Und damit seelenverschlingenden Dämonen Einlaß in unsere Welt verschafft ...

Kritik:
Im Jahr 1981 machten sich der 20-jährige Nachwuchsregisseur Sam Raimi, sein Kumpel Bruce Campbell und einige Freunde sowie per Annonce angeworbene unbekannte Schauspieler auf zu einer abgelegenen Waldhütte, um einen Horrorfilm zu drehen. Das teilweise bei Familie und Bekannten eingesammelte Budget belief sich auf nur etwa $90.000 (nachträglich wurden noch etwa $300.000 für die internationale Kino- und Festivalauswertung zusammengekratzt) und infolge der Unerfahrenheit des Teams ergaben sich in den verschiedenen Produktionsstufen etliche Schwierigkeiten. Doch als "Tanz der Teufel" (Originaltitel: "The Evil Dead") fertig war, entwickelte er sich dank origineller Einfälle und vieler bis heute eindrucksvoller handgemachter Trickeffekte schnell zu einem Kultfilm der Genreanhänger und schaffte es sogar bis zu einer Vorführung im Rahmenprogramm des Filmfestivals von Cannes. In Deutschland löste "Tanz der Teufel" hingegen im Zusammenspiel mit einigen weiteren Horrorfilmen eine im Rückblick erschreckend einseitig geführte öffentliche Debatte über Gewalt in Filmen aus, die letztlich zur Indizierung und Beschlagnahmung von Raimis Debütwerk führte (eine ausführliche Betrachtung der damaligen Ereignisse kann man hier nachlesen). Nach zwei populären Fortsetzungen verschwand die "Evil Dead"-Reihe in den 1990er Jahren vorübergehend in der Versenkung, als Raimi zum auch außerhalb von Genrefilmen erfolgreichen Hollywood-Regisseur aufstieg. Doch die Sehnsucht der Fans nach weiteren Filmen über Antiheld Ash (Campbell), das Buch der Toten und die blutrünstigen Dämonen sorgte 2011 dafür, daß wenigstens ein Remake des Originalfilms unter der Regie des uruguayischen Newcomers Fede Alvarez angekündigt wurde. Von den Fans, die sich mehrheitlich eine echte Fortsetzung wünschten, wurde diese Neuigkeit zunächst eher mit Enttäuschung aufgenommen, doch die Mitwirkung von Raimi, Campbell und Originalproduzent Rob Tapert hinter den Kulissen hielt die Hoffnung auf ein gelungenes Reboot der Reihe wach. Und diese Hoffnung wurde nicht enttäuscht, als "Evil Dead" im April 2013 zu (für Horrorverhältnisse) überraschend positiven Kritiken in die US-Kinos kam und innerhalb kürzester Zeit ein Vielfaches seines mit $17 Mio. immer noch dezenten Budgets einspielen konnte. Und so ganz nebenbei offenbart Alvarez' "Evil Dead" auch noch die Sinnlosigkeit des deutschen Jugendschutzes in seiner derzeitigen Ausprägung, denn während Raimis nicht nur aus heutiger Sicht ziemlich trashiger "Tanz der Teufel" in Deutschland noch immer gerichtlich beschlagnahmt ist, darf das um Längen heftigere Remake ungeschnitten und ohne jegliche Proteste in den Lichtspielhäusern gezeigt werden (was aber zugegebenermaßen keineswegs garantiert, daß auch die Heimkinoauswertung von einer Indizierung verschont bleiben wird) ...

Das Wort "Remake" trifft es allerdings nicht hundertprozentig, denn obwohl "Evil Dead" die Kernelemente von "Tanz der Teufel" beibehält und zahllose Anspielungen und Zitate aus Raimis Film (eine Variation der berüchtigten Baumszene darf natürlich nicht fehlen) beinhaltet, entwickelt sich die Handlung im Detail deutlich anders. Aber da ja bereits "Tanz der Teufel 2" eher Remake als Fortsetzung war, kann man es fast schon als Tradition bezeichnen, daß sich nicht genau sagen läßt, wie die einzelnen "Evil Dead"-Teile miteinander in Verbindung stehen (ganz zu schweigen davon, daß Drew Goddards und Joss Whedons fabelhafte Genre-Dekonstruktion "The Cabin in the Woods" die Ähnlichkeit zu Raimis Film bereits im Namen trägt). Besonders interessant ist hier jedenfalls der Kniff mit Mias Drogenabhängigkeit, der zwei Auswirkungen zeitigt: Erstens werden Mias sprichwörtliche innere Dämonen mit den "echten" Dämonen, die durch das Aufsagen der rituellen Formel aus dem Necronomicon beschworen werden, kontrastiert. Zweitens ist es, da Mia das erste Opfer der Dämonen ist, auf diese Weise glaubwürdiger, daß ihre Freunde zunächst noch glauben, es würde sich bei ihren panischen Beschreibungen lediglich um Halluzinationen infolge des kalten Entzuges handeln. Leider werden die dramaturgischen Möglichkeiten, die sich aus dieser Thematik ergeben, nicht konsequent ausgereizt und so entwickelt sich "Evil Dead" nach etwa einer halben Stunde erwartungsgemäß zum ganz normalen Horrorfilm. Aber das ist ja nicht schlimm, etwas anderes hatten die Fans schließlich gar nicht erwartet.

Die Ausgestaltung dieses Horrorfilms ist routiniert, oft eklig und äußerst blutig geraten, was genau im Sinne Raimis sein dürfte, der oft genug erklärt hat, sein Ziel beim Dreh von "Tanz der Teufel" sei es gewesen, ihn so brutal wie nur irgend möglich zu machen. Das Versprechen des Filmposters "Der schockierendste Film, den Du jemals sehen wirst" dürfte zwar nur bei wenigen Kennern des Genres zutreffen, aber wer eher selten mit Horrorfilmen in Berührung kommt, der sei ausdrücklich gewarnt: "Evil Dead" ist in der Tat garantiert nichts für Menschen mit schwachem Magen! Das Blut spritzt literweise, Handwerksmaterialien werden gnadenlos zweckentfremdet und der reine Ekelfaktor einiger Szenen ist beträchtlich. Wie in "Tanz der Teufel" (der im Gegensatz zur Over-the-Top-Fortsetzung aufgrund der Budgetbeschränkungen höchstens manchmal unfreiwillig komisch ist) verzichtet Alvarez bei seinem Film zudem fast völlig auf relativierenden Humor.

Glücklicherweise beschränkt sich Alvarez jedoch nicht darauf, den Zuschauer einfach nur durch grotesk überzogene Gewaltdarstellungen zu schockieren, sondern beherrscht neben einigen gelungenen "Jump Scares" auch ein wenig das Handwerk des subtileren Grusels. Dies manifestiert sich vor allem in der erzeugten Atmosphäre, die einem dank überzeugender und ganz im Geiste des Originals ohne die Mithilfe von Computern kreierter Trickeffekte, guter Schauspielleistungen und vor allem einer grandiosen Klangkulisse Schauer über den Rücken laufen läßt. Jeder, der einmal Genreklassiker wie "Alien", "Das Omen" oder "Der Exorzist" (der neben Raimis eigenem "Drag Me to Hell" die offensichtlichste zusätzliche Inspirationsquelle für "Evil Dead" ist) gesehen hat, der weiß, daß Musik und Soundeffekte den Gruselfaktor im Idealfall extrem in die Höhe treiben können. Genau das ist erfreulicherweise auch bei "Evil Dead" der Fall. Bereits bei Raimis Filmen hat die Musik von Joseph LoDuca ihre Wirkung nicht verfehlt, doch was der außerhalb seiner Heimat noch kaum bekannte spanische Komponist Roque Baños ("Der Maschinist", "Cell 211") hier geschaffen hat, ist sogar noch besser: eine Kakophonie des Grauens, die das Geschehen auf der Leinwand nicht nur untermalt, sondern noch erhöht und dabei auch nicht vor schrillen Tönen oder melodramatischen lateinischen Chorälen á la "Das Omen" zurückschreckt – einfach phantastisch!

Was die erwähnten guten Schauspielleistungen betrifft, so ist das natürlich sehr relativ, da in Horrorfilmen bekanntlich nur selten subtile Performances gefragt sind. Aber die fünf jungen Hauptdarsteller machen ihre Sache gut, solange es noch einigermaßen normal zugeht, wobei vor allem Lou Taylor Pucci als leicht unheimlicher Hippie-Lehrer gefällt. Zwar ist keiner der Protagonisten übermäßig sympathisch, aber das war im Original nicht anders und schadet auch hier kaum. Und sobald schließlich das namenlose Grauen über die Hütte hereinbricht, legen die Darsteller eine enthemmte Leidenschaftlichkeit an den Tag, daß es eine wahre Freude ist. Im Vergleich zu "Tanz der Teufel", in dem schauspielerisch eigentlich nur Ellen Sandweiss überzeugen konnte (Bruce Campbell entwickelte seine unbestrittenen Fähigkeiten erst später), ist das ein echter Quantensprung.

Daß Alvarez' Werk trotz aller Stärken kein Genremeisterwerk geworden ist, hat wohl hauptsächlich zwei Ursachen. Einmal fehlt zwangsläufig das Überraschungsmoment, das "Tanz der Teufel" zu seiner Zeit innehatte. Selbst wenn man das Original nicht kennt – es war so stilbildend für das gesamte Genre, daß man eigentlich alles, was man im Reboot präsentiert bekommt, so ähnlich schon in anderen Filmen gesehen hat. Zusätzlich stört, daß der finale Akt von "Evil Dead" sehr in die Länge gezogen ist, sich dabei unnötig wiederholt und auch teilweise in jene Horrorklischees verfällt, die er vorher noch recht gekonnt gemieden hatte. Mit seiner Laufzeit von eineinhalb Stunden dauert Alvarez' Werk genau zehn Minuten länger als die ersten beiden "Tanz der Teufel"-Filme, und genau diese zehn Minuten ist er letztlich zu lang. Dafür werden Anhänger des Originals während und nach dem Abspann noch mit ein paar kleinen Schmankerln entschädigt. Und mit der Aussicht auf einen weiteren "Evil Dead"-Film mit Bruce Campbell als Ash – eine direkte Fortsetzung des dritten Teils "Armee der Finsternis" –, deren Planung Raimi und Campbell in mehreren Interviews bestätigten!

Fazit: "Evil Dead" ist ein würdiges und temporeiches Remake eines kultisch verehrten (aber ziemlich trashigen) Horrorklassikers, das die Stärken des Originals weitgehend bewahrt, ohne eine gewisse Eigenständigkeit komplett aufzugeben. Mit einer Vielzahl wenig zimperlicher Splatter- und Ekelszenen richtet sich der Film jedoch ausdrücklich an ein genregestähltes Publikum.

Wertung: 8 Punkte.

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1 Kommentar:

  1. Das Original war in den Achtzigern wirklich noch schockierend. Heute ist das eher erheiternd. Das Remake werde ich mir bei Gelegenheit mal ansehen.

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