Donnerstag, 28. März 2013

SONG FOR MARION (2012)

Regie und Drehbuch: Paul Andrew Williams, Musik: Laura Rossi
Darsteller: Terence Stamp, Vanessa Redgrave, Gemma Arterton, Christopher Eccleston, Orla Hill, Ram John Holder, Anne Reid, Bill Thomas, Taru Devani, Bill Thomas, Alan Ruscoe
Song for Marion
(2012) on IMDb Rotten Tomatoes: 66% (5,9); weltweites Einspielergebnis: $9,2 Mio.
FSK: 0, Dauer: 97 Minuten.

Arthur (Terence Stamp, "Superman", "Wall Street") war schon immer ein recht griesgrämiger Zeitgenosse, doch als seine über alles geliebte Frau Marion (Vanessa Redgrave, "Anonymus") unheilbar an Krebs erkrankt, ist er zunehmend verzweifelt. Seine Wut auf die ganze Welt läßt er vor allem an jenen aus, die ihm am meisten helfen wollen: seinem Sohn James (Christopher Eccleston, "Thor The Dark Kingdom") und Elizabeth (Gemma Arterton, "Hänsel & Gretel – Hexenjäger"), der engagierten Leiterin des Rentner-Chors, in dem Marion singt. Arthur kann partout nicht nachvollziehen, warum seine Frau ihre letzten Monate damit verplempert, in einem Amateur-Chor Songs von Motörhead oder Salt 'n' Pepa zu trällern – doch Marion und Elizabeth geben es nicht auf, den Sturkopf davon zu überzeugen, daß auch er von der Chorgemeinschaft profitieren könnte ...

Kritik:
Wenn man so viele Filme wie ich gesehen hat, dann wird irgendwann Originalität zum höchsten Gut. Natürlich kann man sich auch für wenig innovative, aber gut gemachte und/oder gespielte Werke erwärmen, doch nichts geht über eine vollkommen unerwartete, innerhalb der Filmwelt jedoch absolut glaubwürdige Wendung á la Hitchcocks "Psycho". Das genaue Gegenteil sind Filme nach Schema F – die sind für einen Vielseher eigentlich sogar noch schlimmer als schlechte Filme. Über letztere kann man sich immerhin noch aufregen oder nach Herzenslust darüber ablästern, doch Filme nach Schema F langweilen einfach nur. Normalerweise.

"Song for Marion" entspricht trotz einiger minimaler Alibi-Schlenker haargenau dem Schema F für anrührende Tragikomödien, trotzdem hat er mir überraschend gut gefallen. Weil er vier hervorragende Schauspieler in den Hauptrollen zu bieten hat. Weil er (unrealistischerweise) vor liebenswürdigen Figuren nur so wimmelt. Weil er gute Musik enthält. Weil er gar nicht erst versucht, seine Manipulation der Gefühle des Publikums (die ihm einige sicherlich dennoch übelnehmen werden) zu verschleiern. Weil er Herz hat. Und wenn Vanessa Redgrave, diese großartige, sechsfach OSCAR-nominierte Schauspielerin, mit brüchiger, aber von Überzeugung und Leidenschaft gefestigter Stimme Cyndi Laupers unvergeßliche 1980er Jahre-Ballade "True Colors" vorträgt, bleibt mir nichts anderes übrig, als dessen Wirkung passend zur Thematik mit einem von Diane Warren geschriebenen Songtitel von Meat Loaf zusammenzu-fassen: "Not a Dry Eye in the House".

Der eigentliche Hauptdarsteller von "Song for Marion" ist jedoch Terence Stamp als Arthur. Dessen Wandlung von einem unfreundlichen alten Kerl aus der Arbeiterklasse, der es außer bei seiner Ehefrau nie gelernt hat, seine Gefühle zu zeigen – noch nicht einmal seinem Sohn gegenüber –, zu einem Mann, der erkennt, daß es wahrlich Erfüllenderes gibt, als einsam vor sich hinzuvegetieren, gibt dem 74-Jährigen Schauspielveteran (der bereits 1963 für Sir Peter Ustinovs "Die Verdammten der Meere" seine bislang einzige OSCAR-Nominierung erhielt!) reichlich Gelegenheit, sein Können zu zeigen. Vor allem das Zusammenspiel mit Redgrave ist höchst bewegend, aber auch die Kabbeleien mit der wie stets bezaubernden Gemma Arterton und die Konflikte mit seinem von Christopher Eccleston überzeugend dargestellten, in seinen Emotionen hin- und hergerissenen Sohn James (der selbst Vater eines reizenden Mädchens ist) sorgen dafür, daß man die Klischeehaftigkeit der Story und auch der Figuren gerne vergibt. Ebenso wie den unsinnigen Einfall der deutschen Synchronfassung, den Chor-Namen "The OAP'z" zu "Die Rentnar" zu verunstalten (was zwar die passende Übersetzung der für "Old Age Pensioners" stehenden Abkürzung ist, aber trotzdem dämlich klingt).

Immerhin muß man dem jungen britischen Regisseur und Drehbuch-Autor Williams, der 2006 mit seinem Kinodebüt, dem Thriller "London to Brighton", für einiges Aufsehen in der britischen Independent-Szene sorgte, zugutehalten, daß er nicht den ganz leichten Weg geht. Arthur darf unter ausschließlich schräg-sympathischen Charakteren erstaunlich lange den einzigen echten Miesepeter spielen, seine unvermeidliche Wandlung geht anders als in vergleichbaren Filmen sehr gemächlich und alles in allem ziemlich glaubwürdig vonstatten. An der Vorhersehbarkeit der Handlung ändert das natürlich nichts, aber was soll'? Was letztlich zählt, bringt Williams' Widmung am Ende des Films am besten zum Ausdruck: "To family".

Fazit: "Song for Marion" ist (trotz deutscher Beteiligung an der Finanzierung) typisch britisches Independent-Kino im besten Sinne: einerseits komplett vorhersehbar und schamlos manipulativ, andererseits aber eine bodenständige, höchst sympathische, leicht skurrile und hingebungsvoll gespielte, einfach zu Herzen gehende Tragikomödie mit guter Musik. Aus einer (anders als in Jonathan Levines "50/50") tödlichen Krebserkrankung ein Feelgood-Movie zu basteln, kriegen so wohl wirklich nur die Briten hin ...

Wertung: 7,5 Punkte.


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