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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 11. August 2022

FINCH (2021)

Regie: Miguel Sapochnik, Drehbuch: Craig Luck und Ivor Powell, Musik: Gustavo Santaolalla
Darsteller: Tom Hanks, Caleb Landry Jones (Stimme)
Finch (2021) on IMDb Rotten Tomatoes: 74% (6,5); Altersempfehlung: 12, Dauer: 115 Minuten.
Etwa zehn Jahre, nachdem eine besonders heftige Sonneneruption Teile der Ozonschicht um die Erde zerstörte und somit das Leben an der Oberfläche bei Sonnenschein nahezu unmöglich machte, ist ein Großteil der Menschheit ausgestorben und generell gibt es kaum noch Leben auf dem Planeten. Der Robotik-Ingenieur Finch Weinberg (Tom Hanks, "Captain Phillips") ist einer der wenigen Überlebenden und damit das auch so bleibt, hält er sich möglichst weit von anderen Menschen fern. Seine einzigen Gefährten sind sein Hund Goodyear und ein primitiver kleiner Roboter namens Dewey. Dummerweise ist Finch trotz aller Vorsichtsmaßnahmen als Folge der ultravioletten Strahlen todkrank. Damit sein Hund nach seinem absehbaren Tod nicht völlig auf sich allein gestellt ist, arbeitet Finch schon länger an einem sprechenden humanoiden Roboter, der sich um Goodyear kümmern soll. Aufgrund eines nahenden Megasturms gelingt es Finch nur, 72 Prozent der vorgesehenen Daten auf den Roboter (in der Originalfassung gesprochen von Caleb Landry Jones, "Barry Seal") hochzuladen, weshalb Jeff (wie er sich später selbst nennt) etwas, nunja, unperfekt ist. Finch macht sich in einem robusten Bergbau-Muldenkipper mit Goodyear, Jeff und Dewey zu seiner letzten Reise nach San Francisco auf und versucht auf dem Weg, dem kindlich anmutenden Jeff das Nötigste beizubringen ...

Kritik:
Ein Jahr nach dem gelungenen Kriegsfilm "Greyhound" tat sich Tom Hanks erneut mit dem Streamingdienst Apple TV+ zusammen. Nachdem "Greyhound" trotz vieler Nebendarsteller bereits eine ziemliche One-Man-Show für Hanks war, ist er in "Finch" vom vorwiegend für sechs "Game of Thrones"-Episoden bekannten britischen Regisseur Miguel Sapochnik sogar einziger menschlicher Darsteller mit einem wesentlichen Auftritt. Kurioserweise ist "Finch" dennoch etwas weniger stark auf Hanks zugeschnitten, da es hier mit Roboter Jeff und Hund Goodyear noch zwei weitere Hauptfiguren gibt, die Hanks' Finch beinahe gleichgestellt sind. Ähnlich wie bei "Greyhound" ist auch bei "Finch" die Story ziemlich geradlinig und die beiden Drehbuch-Debütanten Craig Luck und Ivor Powell verzichten auf größere Überraschungen. Und auch bei "Finch" funktioniert diese Vorgehensweise ziemlich gut, denn der Fokus auf das zentrale Trio sorgt dafür, daß man die drei – speziell Finch und Jeff – auf ihrem Roadtrip gut kennenlernt und sie rasch ins Herz schließt. Ein gewisser Coming of Age-Aspekt wegen Jeffs herzerfrischend kindlichem Gemüt (als Folge des nicht abgeschlossenen Uploads) schadet dabei auch nicht, sondern sorgt immer wieder für amüsante und auch anrührende Momente.

Als wir Finch kennenlernen, befindet er sich in St. Louis, wo er mit Goodyear, Dewey und dem noch nicht fertiggestellten Jeff in einem unterirdischen Labor des Unternehmens lebt, für das er früher arbeitete. Die Umgebung hat er inzwischen fast komplett nach Konserven oder anderen haltbaren Lebensmitteln abgesucht, weshalb es sowieso unvermeidlich erscheint, daß sie St. Louis verlassen müssen. Finchs Krankheit in Verbindung mit dem aufziehenden Megasturm (der voraussichtlich etwa 40 Tage lang wüten soll) beschleunigen den Aufbruch, aber immerhin bekommt Finch gerade noch rechtzeitig den humanoiden Roboter einigermaßen fertig, der nach seinem Ableben für Goodyears Wohlergehen sorgen soll. Die postapokalyptische Welt, die wir auf dem gefährlichen Weg nach San Francisco erleben, ist wahrlich trostlos. Sieht es zunächst im menschenleeren St. Louis noch so aus, als ob Finch sogar der letzte lebende Mensch sein könnte, erfahren wir allerdings bald, daß es sehr wohl weitere Überlebende gibt, von denen sich Finch jedoch wegen schlechter Erfahrungen möglichst weit entfernt hält – eine der wichtigsten Lektionen, die Finch dem allzu sorglosen Jeff beibringt. Ein wenig erinnert "Finch" mit diesem Szenario an "Love and Monsters", wo sich ebenfalls ein sympathischer männlicher Protagonist in einer postapokalyptischen Welt auf eine längere Reise macht und dabei von einem Hund begleitet wird – jedoch ist "Love and Monsters" deutlich actionreicher und humorvoller, wogegen "Finch" ein Film der leisen Töne ist, in dem die einzigen Monster die anderen Menschen sind und sich die Spannung deshalb in erster Linie aus Finchs Bemühen ergibt, diese zu meiden.

Auch ohne Monster, Zombies oder sonstige aufregende Begegnungen gelingt es "Finch" lange Zeit gut, den Unterhaltsamkeitsgrad ziemlich weit oben zu halten. Das liegt in erster Linie an dem ungemein sympathischen Gespann Finch und Jeff, das beinahe wie Vater und Sohn wirkt und dem das Publikum jederzeit gerne zuschaut. Dabei ergeben die oft kindliche Begeisterung und der Enthusiasmus, mit denen Jeff der für ihn neuen Welt begegnet, einen interessanten Kontrast zum erschöpften und traumatisierten Finch, dessen Geduld durch Jeffs Eskapaden immer wieder strapaziert wird. Großes Lob verdient sich dabei Caleb Landry Jones für seine ausgezeichnete Vertonung von Jeff (in der deutschen Synchronfassung spricht ihn Schauspieler und Synchronsprecher Tim Sander). Trotz Finchs beruflichem Hintergrund erscheint es mir übrigens nicht ganz glaubwürdig, daß er nach dem Ende der Welt ganz auf sich alleine gestellt einen intelligenten und fühlenden Roboter erschafft, aber das muß man wohl einfach ebenso akzeptieren wie die auffällige Leere der Welt von "Finch" – wenn ich nichts vergessen habe, bekommen wir nur zwei Mal menschliche Überreste zu Gesicht, alle anderen Leichen haben sich offenbar auf wundersame Art und Weise in Luft aufgelöst. Wenn wir es positiv betrachten wollen, gibt das "Finch" einen gewissen märchenhaften Anstrich, an der Authentizität dieser Postapokalypse nagt es aber schon ein wenig … Letztlich stört das jedoch nicht allzu sehr, weshalb "Finch" unterm Strich ein gelungener Film ist, auch wenn ihm in der letzten halben Stunde ein wenig die Puste ausgeht.

Fazit: "Finch" ist ein sympathisches postapokalyptisches Roadmovie, das viel aus seiner Tom Hanks+Roboter+Hund-Prämisse herausholt, ohne jemals wirklich zu glänzen.

Wertung: 7,5 Punkte.

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