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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Mittwoch, 5. Januar 2022

LUCA (2021)

Regie: Enrico Casarosa, Drehbuch: Jesse Andrews und Mike Jones, Musik: Dan Romer
Sprecher der Originalfassung: Jacob Tremblay, Jack Dylan Grazer, Emma Berman, Saverio Raimondo, Maya Rudolph, Jim Gaffigan, Marco Barricelli, Saverio Raimondo, Lorenzo Crisci, Peter Sohn, Sandy Martin, Giacomo Gianniotti, Sacha Baron Cohen
Luca
(2021) on IMDb Rotten Tomatoes: 91% (7,3); weltweites Einspielergebnis: $49,8 Mio.
FSK: 0, Dauer: 96 Minuten.
Die italienische Riviera Ende der 1950er Jahre: In der Nähe der Küste der Kleinstadt Portorosso leben auf dem Meeresboden weitgehend unbehelligt von den Menschen intelligente humanoide Wesen, die sich, sobald nicht von Wasser berührt werden, in Menschen verwandeln (respektive zumindest wie Menschen aussehen). Eines dieser Seemonster – wie sie bei den Menschen genannt werden, für die sie aber mehr Legende als Realität sind – ist der etwa 12-jährige Luca (Sprecher in der Originalfassung: Jacob Tremblay, "Raum"), der fasziniert ist von den immer wieder von Booten herabfallenden Gegenständen aus der Menschenwelt. Seinen Eltern Daniela (Maya Rudolph, "Ganz weit hinten") und Lorenzo (Comedian Jim Gaffigan), die sehr besorgt um Lucas Sicherheit sind, gefällt das überhaupt nicht, und so wollen sie ihn deshalb zu seinem in der Tiefsee lebenden Onkel Ugo (Sacha Baron Cohen, "The Trial of the Chicago 7") schicken. Als Luca dem etwas älteren Artgenossen Alberto (Jack Dylan Grazer, "Es") begegnet, der Luca kurzerhand mit an Land nimmt und zu einem verfallenen Turm bringt, in dem er in Abwesenheit seines Vaters lebt, beschließt Luca, an Land zu bleiben. In Portorosso treffen Luca und Alberto das ungefähr gleichaltrige lebhafte Menschen-Mädchen Giulia (Emma Berman), das unbedingt einen lokalen Wettkampf gewinnen will, der aus Schwimmen, Essen und Radfahren besteht. Die drei freunden sich an, Luca und Alberto finden bei Giulia und ihrem grobschlächtigen und wortkargen, jedoch gutherzigen Vater Massimo (Marco Barricelli) Unterschlupf und gemeinsam will das Trio den Wettkampf gewinnen, dessen erster Preis eine nagelneue, von Luca und Alberto heiß begehrte Vespa ist – muß sich dabei allerdings gegen den fiesen, ein paar Jahre älteren Titelverteidiger Ercole (Saverio Raimondo) und seine zwei Helfershelfer behaupten. Und bei alledem müssen die beiden Seemonster stets darauf achten, niemals naß zu werden und somit ihre wahre Identität zu verraten …

Kritik:
Die Werke der Animations-Künstler von Pixar hat – neben der immer sehr hohen technischen und meist auch inhaltlichen Qualität – seit jeher ausgezeichnet, daß sie häufig eher kleine und bodenständige, aber sehr persönliche Geschichten erzählen statt auf klassische Weltrettungs-Storys oder böse Superschurken zu setzen. Die gibt es vereinzelt auch ("Die Unglaublichen"), aber viel häufiger geht es ums Erwachsenwerden ("Toy Story"-Reihe), um die Familie ("Coco", "Findet Nemo", "Onward"), um das menschliche Innenleben ("Alles steht Kopf") oder auch um nicht weniger als den Sinn des Lebens ("Ratatouille", "Soul", "WALL*E"). Enrico Casarosas Langfilm-Regiedebüt (er arbeitete zuvor u.a. an "Ice Age" und "Oben" mit und wurde für seinen animierten Kurzfilm "La Luna" 2012 für einen OSCAR nominiert) "Luca" fügt sich wunderbar in diese Reihe ein, indem es eine betont unspektakuläre Coming of Age- und (fast buchstäblich) "Fish out of Water"-Geschichte vor dem idyllischen Hintergrund der Urlaubsregion Riviera in den 1950er Jahren erzählt – daß zwei der drei zentralen Protagonisten Seemonster sind, verleiht dem Film einen gewissen außergewöhnlichen Touch, ist im Grunde genommen aber fast schon nebensächlich, weil sich die Seemonster innerlich kaum von den Menschen unterscheiden und eher als generelle Metapher für Außenseiter dienen. Im Vordergrund stehen die Geschichte einer engen, klassenüberschreitenden Freundschaft sowie eine phasenweise fast utopisch anmutende Ode auf die (nicht nur verwandtschaftliche) Familie und auf Toleranz und friedliches Zusammenleben. Das Ganze ist verpackt in einer herzerwärmende kleine Sommergeschichte voller liebevoll gezeichneter Charaktere, die man schnell ins Herz schließt. Kurzum: Der wegen der Corona-Pandemie leider in den meisten Ländern statt im Kino direkt beim Streamingdienst Disney+ veröffentlichte "Luca" ist ein Pixar-Film im besten Sinne!

Die Handlung von "Luca" ist, wie erwähnt, wenig spektakulär, aber um doch etwas Spannung und Aufregung reinzubringen, gibt es den fiesen Ercole als Gegenspieler von Luca, Alberto und Giulia. Ercole ist mit Sicherheit nicht die bestgestaltete Figur des Films, eher klischeehaft und man kann durchaus argumentieren, daß ein Fiesling für eine so rundum nette Story wie die von "Luca" gar nicht nötig ist. Zur Wahrheit gehört aber auch, daß der für seinen Film vor allem von Federico Fellini und Hayao Miyazaki inspirierte Regisseur Casarosa und die beiden Drehbuch-Autoren Jesse Andrews ("Ich und Earl und das Mädchen") und Mike Jones ("Soul") Ercole und seine beiden willfährigen Helfer sinnvoll einsetzen, indem sie sie zum Mittelpunkt einiger sehr lustiger Gags machen – zudem ist es natürlich immer eine (Schaden-)Freude, wenn Fieslingen etwas (in diesem Fall stets harmloses) nicht so Schönes widerfährt. Im Zentrum steht jedoch natürlich das jugendliche Trio, bei dem sich eine erfreulich komplexe, glaubwürdige Dynamik entwickelt. Denn während Luca sehr von der energetischen Giulia eingenommen ist, fühlt sich Alberto deshalb zunehmend ausgeschlossen und reagiert sehr eifersüchtig (manche meinen darin übrigens homosexuelle Untertöne zu erkennen – Regisseur Casarosa selbst hatte diese Interpretationsmöglichkeit nicht eingeplant, findet sie aber gerechtfertigt). Das führt zu einigen Schwierigkeiten zwischen den drei Freunden, deren Überwindung sie allerdings einander noch näherbringen und nebenbei erwachsener werden lassen könnte.

Der laut Casarosa (der die Storyidee hatte, welche dann Andrews und Jones in ein Drehbuch überführten) autobiographisch angehauchte und auf seiner Kindheit in Genua basierende "Luca" ist, wie eigentlich immer bei Pixar, wunderschön animiert mit gemäldeartigen Panoramen und stilistisch an die Knetgummi-Figuren von Aardman Animation ("Shaun das Schaf") erinnernden Personen. Auffällig ist, wie viel Wert auf nette Details und "Nebenbei-Gags" gelegt wird, wenn etwa Luca und Alberto auf ihrem Fahrrad unkontrolliert eine steile, enge Gasse herabrasen und dabei zwei ältere Männer beim Mühle-Spiel passieren – was derjenige, der wohl am Verlieren ist, gedankenschnell ausnutzt, um unbemerkt das Spielbrett umzudrehen, während der andere noch den beiden Kindern hinterhersieht … Erfreulich sind außerdem die vielen liebenswerten und interessanten Nebenfiguren wie Giulias einarmiger Vater Massimo und sein miesepetriger, durchaus passend benannter Kater Machiavelli. Begleitet wird das Sommerabenteuer derweil von einem betont italienischen Soundtrack, der neben zeitgenössischen, fröhlichen Songs auch einige Opernarien von Puccini oder Rossini umfaßt. Die Sprecher sind in der Originalfassung ebenfalls gut ausgewählt – gerade die drei jugendlichen Hauptsprecher –, wobei abgesehen vom nur kurz in Erscheinung tretenden Sacha Baron Cohen weitgehend auf Stars verzichtet wurde und in den Nebenrollen viele italienische Sprecher zu hören sind. Ein wenig kritisieren kann man vielleicht das Ende der Geschichte, das zwar sehr schön ausfällt, aber womöglich ein bißchen zu märchenhaft, um gänzlich glaubwürdig zu wirken. Das ist aber ein minimaler Kritikpunkt (den zudem sicher nicht jeder teilt) an einem äußerst liebenswerten Gute-Laune-Film, der insgesamt zwar nicht herausragend ist, dafür aber einfach nur schön.

Fazit: Der Pixar-Animationsfilm "Luca" erzählt mit viel Herz eine Story vom Erwachsenwerden und von wahrer Freundschaft, die sich durch viele gut gezeichnete Figuren und das originelle Italien-Setting in den 1950er Jahren von vergleichbaren Werken abhebt.

Wertung: 8,5 Punkte.
 
 
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