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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 26. März 2020

Nachruf: Stuart Gordon (1947-2020)

Manch ein eher dem Mainstream zugeneigter Filmfreund wird sich bei den Meldungen über den Tod des US-amerikanischen Filmemachers Stuart Gordon gefragt haben: "Stuart wer?". Das ist kein Wunder, denn trotz einer langen Karriere gelang ihm (zumindest als Regisseur) mit dem Actionfilm "Fortress" nur ein wirklicher kommerzieller Erfolg im Kino. Für Horrorfans allerdings - und ganz besonders für jene, die in den 1980er oder 1990er Jahren aufgewachsen sind - war Stuart Gordon nicht weniger als eine Legende, auf deren Konto mehrere Filme gehen, die heute verdientermaßen Kultstatus besitzen. Gestern starb Stuart Gordon mit 72 Jahren.

Wie bei so vielen Filmschaffenden nahm auch Stuart Gordons Karriere ihren Anfang im Theater. Ab 1968 inszenierte er vorwiegend in von ihm gegründeten Theatern Dutzende Theaterstücke, von denen nicht wenige bewußt provokant und entsprechend kontrovers waren - in "The Game Show" beispielsweise wurde das Publikum zu Beginn der Aufführung im Saal eingeschlossen und im Laufe des Stücks wurden mehrere Zuschauer (die in Wirklichkeit selbst gezielt plazierte Schauspieler waren) von den Darstellern geschlagen, gedemütigt und anderweitig mißhandelt - was schlußendlich stets zu einem echten Publikumsaufstand und dem (von Gordon gewollten) Abbruch der Vorstellung führte! Für seine Adaption des Kinderbuch-Klassikers "Peter Pan" als Parabel auf den Vietnam-Krieg - während dieser noch lief - wurden er und seine spätere Ehefrau Carolyn Purdy sogar wegen Obszönität verhaftet (die Vorwürfe wurden später fallengelassen) ... Zugegeben, ganz so drastisch und polarisierend wurden Gordons Arbeiten nach dem Wechsel zum Film Mitte der 1980er Jahre nicht, aber für Kontroversen sorgten sie immer wieder und waren zudem gute alte Bekannte auf dem deutschen Index für jugendgefährdende Medien.

Gleich mit seinem Kino-Regiedebüt schuf Stuart Gordon im Jahr 1985 ein selbst von Kritikern hochgelobtes Genre-Meisterwerk, das bis heute sein bekanntester und beliebtester Film sein dürfte und gleich in mehrfacher Hinsicht wegweisend für seine Filmkarriere war: "Re-Animator" bedeutete den Auftakt einer langen und fruchtbaren Zusammenarbeit mit seinem Kollegen und Freund Brian Yuzna (der hier als Produzent fungierte und die beiden Fortsetzungen dann selbst inszenierte) und war die erste von zahlreichen Verfilmungen der Geschichten von Horrorikone H.P. Lovecraft, zudem sollte Gordon fortan häufig mit seinen "Re-Animator"-Hauptdarstellern Jeffrey Combs und Barbara Crampton drehen. Auch der hohe Splattergehalt von "Re-Animator" sollte sich durch viele seiner weiteren Arbeiten ziehen und sorgte auch dafür, daß der heutige Kultfilm über zwei junge, ehrgeizige Wissenschaftler, die in bester Frankenstein-Manier den Tod überwinden wollen, in Deutschland bis 2013 indiziert war. Das ist einerseits kein Wunder, da Gordon wahrlich nicht an Blutfontänen und abgetrennten Gliedmaßen gespart hat, doch seinen Reiz zog "Re-Animator" - der sich eigentlich nicht viel mehr als der Prämisse von Lovecrafts Vorlage bedient - in erster Linie aus dem absurden Humor, lustvoll overactenden Schauspielern und zahlreichen herrlich durchgeknallten, teils schockierenden Ideen. Ich will nicht spoilern, aber die legendäre Szene zu Beginn des Showdowns mit einer nackten Barbara Crampton und dem reanimierten abgetrennten Kopf des verrückten Wissenschaftlers Dr. Hill sucht zweifellos bis heute Ihresgleichen ... Nur ein Jahr später folgte mit "From Beyond" die nächste Lovecraft-Adaption mit Combs und Crampton (beide übrigens längst Ikonen des Genres), die zwar bei Kritikern und Zuschauern etwas schwächer abschnitt, aber über die Jahre hinweg ebenfalls eine große und treue Anhängerschar sammelte.

Nach dem etwas schwächeren Puppenhorror "Dolls" (1987) wechselte Stuart Gordon 1989 so scharf das Genre, wie man sich das nur vorstellen kann: Er lieferte (u.a. gemeinsam mit Brian Yuzna) die Story zur Disney-Familienkomödie "Liebling, ich habe die Kinder geschrumpf" mit Rick Moranis - was bei genauerem Nachdenken aber doch nicht gar so absurd anmutet, denn schließlich zählen "Schrumpf-Geschichten" seit langem zu den Klassikern der phantastischen Unterhaltung (z.B. "Die unglaubliche Geschichte des Mr. C", "The Phantom Planet" oder "Die phantastische Reise"). In den 1990er Jahren ließ Stuart Gordon wieder diverse Horrorfilme wie die Edgar Allen Poe-Adaption "Meister des Grauens" (1991) mit Lance Henriksen und Jeffrey Combs oder "Castle Freak" (1995) - seine dritte Lovecraft-Verfilmung mit Combs und Crampton - folgen, zudem war er an den Drehbüchern zu Abel Ferraras "Body Snatchers"-Remake von 1993 und Yuznas "The Dentist" (1996) beteiligt; die qualitativen Höhen seiner 1980er Jahre-Kulthits erreichte er jedoch nicht mehr. Dafür machte er sich im SF-Actionkino mit "Fortress" (1992) mit Christopher Lambert und "Space Truckers" (1996) einen Namen; "Fortress" wurde sein größter kommerzieller Erfolg als Regisseur, die $25 Mio.-Produktion "Space Truckers" floppte aber so drastisch, daß Gordon fortan wieder mit deutlich kleineren Budgets klarkommen mußte. Nach der positiv aufgenommenen Komödie "Ein Anzug für jede Gelegenheit" (1998) nach einer Kurzgeschichte von Ray Bradbury folgte im Jahr 2001 mit "Dagon" Gordons vierter und letzter Lovecraft-Film fürs Kino, der allerdings in Spanien produziert wurde und erstmals ohne das bewährte Duo Combs/Crampton auskommen mußte. Trotzdem war das Lovecraft-Kapitel für Stuart Gordon noch nicht beendet, denn für die TV-Horroranthologie-Reihe "Masters of Horror" verfilmte er "Dreams in the Witch House" (und für die zweite Staffel nahm er sich des Edgar Allen Poe-Klassikers "The Black Cat" an, wobei Jeffrey Combs den Schriftsteller spielt).

Gordons letzte Kino-Regiearbeit wurde 2007 der bitterböse kanadische Thriller "Stuck", der die unfaßbare, aber wahre Geschichte eines Autounfalls und seiner Folgen erzählt. Anschließend erinnerte sich Gordon seiner Wurzeln und konzentrierte sich erneut auf das Theater, wo er mit "Re-Animator: The Musical" und dem von Edgar Allen Poe inspirierten "Nevermore" (erneut mit Combs als Poe) zwei echte Hits schuf. "Nevermore" wollte er auch verfilmen, konnte aber leider die Finanzierung nicht besorgen - auch eine Crowdfunding-Kampagne via Kickstarter scheiterte 2017 recht deutlich (statt der anvisierten $375.000 wurden nur gut $90.000 eingesammelt). Das mag ein Zeichen dafür sein, daß Gordons Arbeit etwas Vergessenheit geriet, doch mindestens "Re-Animator" und "From Beyond" werden unter Garantie noch lange Zeit Horrorfans auf der ganzen Welt begeistern.

Am Dienstag, 24. März 2020, verstarb Stuart Gordon im Alter von 72 Jahren in Los Angeles an multiplem Organversagen. R.I.P.

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